Nach authentischen Rezepturen

Andreas Kaufmann aus dem ostallgäuischen Roßhaupten ist stolz auf seine Spezialitäten – wie der vier Monate lang gereifte Allgäuer Schinken.

Als wir am Dienstagvormittag Andreas Kaufmann besuchen, herrscht in der Zerlegung reger Betrieb. Rund zehn Mitarbeiter sind damit beschäftigt, stapelweise Satten an ausgelösten und fachgerecht zugeschnittenen (Edel-)Fleischstücken zu füllen. Noch zwei Schweine hängen vom Vortag am Haken. Immer montags ist bei dem Betrieb aus dem ostallgäuischen Roßhaupten Schlachttag. Im Schnitt sind es 30 Schweine und vier bis fünf Rinder. Viel für einen Betrieb mit insgesamt nur drei Filialen, könnte man meinen. Aber: „45 Prozent meines Umsatzes erwirtschafte ich mit Großhandelskunden“, berichtet Kaufmann. Damit meint er Wiederverkäufer wie Nahversorgungsläden, einen Edeka-Kaufmann und Betreiber von Weihnachtsmärkten, die seine Spezialität – den geräucherten und vier Monate gereiften Allgäuer Schinken – schon in nur wenigen Wochen bundesweit feilbieten. „Die Marktbeschicker können natürlich andere Preise realisieren als wir“, kommentiert er die gute Zusammenarbeit mit diesem Kundenkreis. Seit Anfang Juli schon läuft dieses „Weihnachtsgeschäft“ bei ihm auf Hochtouren.

Diese Tafeln im Thekenbereich weisen transparent darauf hin, von welchen Landwirten das Fleisch stammt, welches Kaufmann schlachtet und vermarktet.

Nach der hauseigenen Schlachtung folgt die Zerlegung. Eben weil hier alles unter einem Dach stattfindet, findet Kaufmann auch Auszubildende für die Produktion.

Hauseigene Schlachtung

Seinen Betrieb führt der zertifizierte Betriebswirt in siebter Generation, beschäftigt insgesamt rund 40 Mitarbeiter. Die Großmutter ist 95, sein Vater leitet die Produktion. Nach und nach übergibt er diese jetzt an einen Angestellten, „ich bin mehr der Verkäufertyp“, bekennt Andreas Kaufmann. Und er weiß, womit er bei seinen Kunden punkten kann: „95 Prozent unserer geschlachteten Tiere stammen aus bis zu zehn Kilometern Umkreis“, nennt er einen Punkt, der Kunden wirklich wichtig zu sein scheint. „Immer wieder kommt die Frage auf: Wo wird das Fleisch geschlachtet und wer ist dabei?“ Dass er aufgrund des Warmbrätverfahrens – dabei verarbeiten die Beschäftigten einen Großteil der Tiere unmittelbar nach der Schlachtung weiter – weniger Phosphate einsetzen muss, scheinen die Verbraucher weniger zu honorieren. „Zusatzstoffe sind wohl eher ein Medienthema“, vermutet er deshalb.

Was aber viele Kunden aus speziellen Zeitschriften aufgreifen und inzwischen an ihn herantragen, ist das Thema Grillspezialitäten und besondere Zuschnitte. „Die Kunden haben uns erzogen“, gibt Kaufmann zu. „Wir haben das Glück, viele junge und grillbegeisterte Männer im Laden zu haben. Die erwarten aber einen Austausch auf Augenhöhe.“ Das ist mit ein Grund, weshalb sich der Unternehmer regelmäßig mit Kollegen aus ganz Deutschland in einem Erfahrungskreis (kurz: Erfa) austauscht – darunter beispielsweise Klaus Werner. „Da sprechen wir über Trendartikel wie Biltong und Beef Jerky“, berichtet er. Doch Rindfleisch zu trocknen sei energieaufwendig, die Ökobilanz schlecht. Kaufmann bietet es deshalb nicht mehr an.

Von montags bis freitags bietet die Metzgerei einen Mittagstisch an.

Spezialitäten aus dem Fachgeschäft: Die „Salami Italia“ und der in goldener Alufolie verpackte Hirschschinken, beide auf der Theke präsentiert, verführen zum Impulskauf.

Vegane Bolognese

Worum er sich ebenfalls Gedanken macht, ist die langfristige Zukunft seines Berufsstandes. Nicht, dass er sich gegenüber neuen Entwicklungen verschließen würde: „In heutigen Familien ernährt sich oft ein Familienmitglied pflanzlich. Darauf gilt es auch für uns Rücksicht zu nehmen, wollen wir unsere Umsätze halten.“ Seine Köchin, eine Schwäbin, kocht deshalb nicht ohne Grund eine vegane Bolognese in Gläser ein und betont die schwäbische Herkunft der Linsen. „Wenn die Gläser auf der Theke stehen, nehmen sie die Kunden gerne mit.“ Was aber Kaufmann umtreibt, ist, dass ebenso im Allgäu immer mehr Metzgereien schließen. Alleine in diesem Jahr erwischte es gleich zwei seiner Kollegen aus dem neun Kilometer entfernten Nachbarort. Dort baut eine Supermarktkette neu und warb praktisch alle Mitarbeiter der zwei Betriebe ab, berichtet Kaufmann. Den Inhabern blieb nur die Schließung.

Seinem Unmut über das Sterben einer Zunft machte der Unternehmer in einer Zeitungsanzeige Luft – die überraschend gut ankam und Gesprächsthema wurde. Was ihn zudem beschäftigt, sind die aufgrund des Ukrainekrieges explodierenden Energiekosten. Was die sich zuspitzende Situation für seinen Betrieb bedeutet und wie er darauf reagiert, lesen Sie online. Erfreulicher hingegen ist die jahrzehntelange, partnerschaftliche Zusammenarbeit mit seiner regionalen Genossenschaft, der FD-Fleischerdienst Allgäu/Schwaben eG in Memmingen. „Der Außendienst ist top. Wenn ich dem Kollegen einen Artikel, den ich haben will, per WhatsApp zuschicke, dann kümmert er sich.“ Zuletzt sei es ihm um einen speziellen Darm gegangen, den er für seine Salamisticks gesucht habe. „Die bekam ich relativ schnell, nachdem die Nachricht raus war“, lobt er. Die Genossenschaft sei klar auf der Seite des Handwerks: „Schon mein Großvater hatte Anteile, weil auch ihm eine echte Zusammenarbeit, schnelle Warenverfügbarkeit und ein hoher Liefergrad wichtiger waren als nur der Preis.“

Italienische Inspiration

Apropos Salamisticks: Die heißen bei Kaufmann natürlich nicht so, sondern „Via Claudia Sticks“. Sein Vater, dessen Herz schon immer für das nicht allzu weit entfernt liegende Italien schlägt, hat in dem Land seinen eigenen „Erfa Kreis“. Was heißt: Keine dortige Metzgerei ist vor Kaufmann senior sicher, wenn sie auf seinem Weg liegt. Schließlich ist er, ebenfalls ganz Unternehmer, immer auf der Suche nach Inspirationen. Eine solche – mitsamt original italienischem Rezept – hat er einst in einer kleinen Macelleria entdeckt und lässt sie seitdem im Betrieb seines Sohnes handwerklich herstellen. „Normalerweise fliegen bei uns viele neue Produkte wieder raus, doch die Via Claudia Sticks führen wir nun seit 15 Jahren“, lobt der Junior den Ideenreichtum seines Vaters. Und wie kam es zu dem Namen? Als „Via Claudia“ bezeichneten die Römer eine ihrer wichtigsten Handelsrouten: die von Norditalien nach Süddeutschland. Hier schließt sich der Kreis, denn sein Vater als Pferdezüchter lässt es sich nicht nehmen, seit mehr als 20 Jahren einmal pro Jahr über diese Via Claudia zu reiten.

www.kaufmann-metzgerei.de

Womit Andreas Kaufmann den Energiekosten begegnet

Auch Metzgermeister und Betriebswirt Andreas Kaufmann aus dem ostallgäuischen Roßhaupten muss sich steigenden Energiekosten stellen.

„Als ich vor meinem Sommerurlaub die Stromverträge neu unterschrieb, hatten sich die Preise bereits verzehnfacht. Nach meiner Rückkehr Anfang September war es bereits Faktor 15. Diese Belastungen können wir nicht alleine stemmen“, sagt er. Die Thematik treibt ihn und seine Berufskollegen um. Dankbar ist er seinem Kollegen Ludwig Stuhlberger, mit dem er sich in einem Erfahrungsaustausch („Erfa“)-Netzwerk regelmäßig austauscht dafür, dass er bei der Politik intervenierte, Handwerksbetriebe zu unterstützen (was nun geschehen soll). Kaufmann ist zwar froh, nicht nur auf Gas alleine angewiesen zu sein und auf einen Ölofen zurückgreifen zu können. Aber klar sei, dass er Dienstleistungen streichen, Kilowattstunden einsparen und den Rest über Preiserhöhungen weitergeben müsse. „Als Konsequenz wird es Sortimentsbereinigungen geben müssen, denn nun geht es darum, die Chargen auszulasten“, beschreibt er die Marschrichtung für den Winter. Nicht wirklich notwendige Liefertouren kalkuliert er, vor allem seit dem Auslaufen des Tankrabatts, neu.

Alternative Energiequellen erschlossen

Weiterhin werde er einen Kühlraum wohl abstellen müssen, da dieser nach der „brutalen Hauptsaison im Sommer“ nicht zwingend in Betrieb sein müsse. Ausgleichend wirkt, dass sich die Unternehmerfamilie bereits frühzeitig über Energieeffizienz Gedanken gemacht hat: „Mein Großvater installierte hier, vor mehr als 60 Jahren, eine der ersten Wärmerückgewinnungsanlagen.“ Konkret: Die Abwärme seiner Kühlanlagen nutzt er zum Heizen, 2016 hat er – mit weiser Voraussicht – das gesamte System komplett erneuert. Auf dem Dach befindet sich seit fünf Jahren eine Photovoltaikanlage, den hier produzierten Eigenstrom nutzt der Betrieb zu einhundert Prozent selbst und erreicht in der Spitze so eine Autarkiequote von knapp 40 Prozent.

Öffnungszeiten noch unverändert

Noch will er an seine Öffnungszeiten nicht ran. „Wir bleiben bei unserer traditionellen Mittagsschließung, die unsere Mitarbeiter sehr schätzen“, sagt er. Auch wenn er damit, im Vergleich zu seinem Kollegenkreis, inzwischen eher die Ausnahme ist. „Unsere Kunden haben sich daran gewöhnt“, sagt er.

Axel Stefan Sonntag

Bildernachweis: Hans-Rudolf Schulz

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