Stark in der Region

Die Stadt-Fleischerei Bartsch in Oldenburg ist als Familienbetrieb in der dritten Generation tätig. Im Fokus steht unter anderem der Nachwuchs.

Seit Martin Bartsch nur noch das produziert, was ihm selbst schmeckt, bereitet ihm seine Arbeit wieder Freude. Vor gut 30 Jahren war das noch anders. „Wir waren abhängig vom Discount“, berichtet der Metzgermeister. „Geliefert haben wir alles, mussten uns aber der Preispolitik anpassen.“ Ende der 90er-Jahre war dann Schluss damit, der Bereich wurde aufgelöst. Heute stellt Martin Bartsch nur noch das her, wovon er selbst voll überzeugt ist – und was seine Kunden sich wünschen. Der Input zu neuen Kreationen entsteht häufig im Austausch.

20 unterschiedliche Sorten Leberwurst stellt die Stadt-Fleischerei Bartsch her, darunter eine Variante mit Preiselbeeren. Die Kunden wissen eine solche Vielfalt zu schätzen.

Mehr Sortimentstiefe

Inzwischen ist Bartsch auch wieder für den Handel tätig, aber auf einer anderen Ebene. „Irgendwann kam man auf uns zu“, erinnert er sich. „Das Geschäft funktioniert allerdings ganz anders. Es sind Familienbetriebe, und es geht weniger um Masse als um Qualität.“ Zu den Kunden zählen zum Beispiel Betriebskantinen, Schulen, Krankenhäuser oder Kindergärten. Auch der regionale Einzelhandel kauft bei der Familienmetzgerei ein – aber nur im kleinen Rahmen. „Wir möchten Nischenanbieter bleiben“, betont Martin Bartsch. „Von der Leberwurst gibt es bei uns nicht nur eine Sorte, sondern 20. Genau das ist der Grund, warum die Kunden zu uns kommen.“
Ob Leberwurst mit Preiselbeeren oder Rohschinken mit Sylter Nordseesalz, Fleischsalat oder Zitronen-Pfeffer-Kassler – das Sortiment der Metzgerei besteht aus einem Mix aus klassischen Produkten und Spezialitäten, die den Jahreszeiten entsprechend variiert werden. Den Betrieb führt Martin Bartsch heute mit seinem Neffen Frerk Sander und seinem Sohn Lukas. Produziert wird am Hauptstandort in Oldenburg. Daneben gibt es noch zwei weitere Geschäftsstellen, die sich ebenfalls in Oldenburg befinden.
Das Fleisch für die Produktion stammt zum Großteil aus der Region Niedersachsen: Lohne, Cloppenburg, Garrel oder Varrelbusch. Um den Nachhaltigkeitsgedanken zu unterstützen, sind Bartschs Mitglied der Initiative „Nordwest – isst besser“. Ziel ist es, die regionale Produktion zu fördern und Ressourcen zu schonen. „Leider liegen die Netzwerktreffen wegen Corona derzeit auf Eis“, erläutert Lukas Bartsch. „Aber wir werden sie wieder aufnehmen, sobald es möglich ist.“

Die Fleischerei bietet einen täglich wechselnden Mittagstisch an. Obwohl es alle Gerichte derzeit nur zum Mitnehmen gibt, soll der Imbiss weiter bestehen bleiben.

Überregionale Lieferungen

Überraschend positiv hat sich in den vergangenen zwei Jahren der Webshop entwickelt. Beliebt sind vor allem in der Winterzeit Grünkohlprodukte: Von Grünkohl im Schlauch über Pinkel- und Mettwurst bis hin zu Grünkohlpralinen und -tee. „Grünkohl ist bei uns ein Bestseller-Produkt“, berichtet Lukas Bartsch. „Damit lassen wir uns immer wieder etwas Neues einfallen.“ Die Bestellungen kommen aus ganz Deutschland, ausgeliefert wird mit DHL. Ergänzt wird der Webshop mit weiteren Spezialitäten der Metzgerei: Fleischsalat, Mockturtle – eine regionale Rindfleischsuppe –, Wiener oder Schinkenwürstchen. Die Abwicklung der Bestellungen übernimmt eine Büroangestellte. „Im Prinzip läuft unser Webshop nebenher, trotzdem brauchen wir eine Person, die sich darum kümmert“, betont Lukas Bartsch. „Nur so kann es funktionieren.“

In den Ladengeschäften können Kunden am Kassenautomaten kontaktlos zahlen (links). Für ihr Nachwuchs- und Azubi-Programm werben Bartschs auch mithilfe von Flyern.

Zielgerichtetes Marketing

Trotz des großen Drucks sind Bartschs mit ihrer Umsatzentwicklung im Corona-Jahr zufrieden. „Obwohl wir im Imbiss und im Großhandel bis zu 60 Prozent Verlust zu verzeichnen hatten, sind wir in das neue Jahr nur mit einem leichten Minus gestartet“, so Martin Bartsch. „Gerettet hat uns das Geschäft mit den Einzelhändlern, hier haben wir 20 Prozent Plus gemacht. Auch unser eigenes Ladengeschäft hat sich gut entwickelt.“ Um auf sich und ihre täglichen Angebote aufmerksam zu machen, setzt die Metzgerei auf einen Mix aus klassischer Werbung und Social-Media-Aktivitäten. Zweimal in der Woche werden die aktuellen Tagesangebote in der Oldenburger Tageszeitung veröffentlicht.

Daneben gibt es Social-Media-Posts auf Instagram und Facebook, die eine jüngere Zielgruppe ansprechen. „Storytelling ist heute unumgänglich“, sagt Lukas Bartsch. „Man muss aber dranbleiben, deshalb kümmert sich eine unserer Mitarbeiterinnen darum.“
Auf Instagram und Facebook wirbt die Metzgerei nicht nur für ihre Produkte, sondern veröffentlicht auch offene Stellen und präsentiert sich als Arbeitgeber.

Gute Umsätze trotz Lockdown: Ihre Fleisch- und Wurstwaren vertreibt die Metzgerei auch über ihren Webshop. Die Bestellungen werden mit DHL ausgeliefert.

Aktive Nachwuchsförderung

Das Thema Mitarbeiter-Marketing wird in der Metzgerei groß geschrieben. Von den rund 120 Mitarbeitern sind 20 Auszubildende, darunter acht, die das Fleischerhandwerk lernen, und zwölf, die sich als Fachverkäufer und Fachverkäuferinnen ausbilden lassen. Um so gut aufgestellt zu sein, haben die Verantwortlichen große Anstrengungen unternommen und eine eigene „Candidate Journey“ entwickelt. Angelehnt an die „Customer Journey“ lässt sich mithilfe eines Schaubildes der Weg der Bewerber beziehungsweise Auszubildenden nachvollziehen. „Wir haben uns überlegt, wie wir die geeignetsten Bewerber für unsere Ausbildungsberufe finden“, erläutert Lukas Bartsch. „Mit der ‚Candidate Journey‘ bemühen wir uns, jede Phase der Bewerbung und der Berufsausbildung Schritt für Schritt zu optimieren.“

Die Initiativen reichen vom Starterpaket mit Schulbüchern und -tasche bis zur Finanzierung des Führerscheins. Auf das Modell ist im vergangenen Jahr die Gilde-Stiftung aufmerksam geworden. Im Rahmen des Wettbewerbes „Fit für Azubis“ ist die Stadt-Fleischerei als einer von drei Preisträgern für ihre Initiative mit 2.000 Euro belohnt worden. Sich als Arbeitgebermarke weiter profilieren, nah dran sein an den Bedürfnissen der Mitarbeiter und Kunden sowie die Förderung und Verbesserung der regionalen Produktion und Haltung der Tiere – das sind die Themen, mit denen sich die Metzgerei in Zukunft verstärkt beschäftigen will.
„Tiere im Offenstall zu halten, da sollten wir wieder hinkommen“, sagt Lukas Bartsch, der sich derzeit noch in der Fleischer-Ausbildung befindet und im Anschluss daran seinen Meister machen möchte. „Das Thema Tierhaltung wird in den nächsten Jahren wichtiger werden. Es gibt viele Kunden, die danach fragen.“

Regionalität im Fokus

Auch Martin Bartsch plant, den Fokus stärker auf die regionale Produktion zu legen. „Vor allem im Corona-Jahr ist das Interesse an regionalen, nachhaltigen Produkten noch einmal größer geworden“, sagt er. „Wir bleiben dran. Ansonsten möchten wir natürlich leckere Fleisch- und Wurstwaren herstellen. Das macht für mich den Unterschied.“

Fit für Azubis

Gute Mitarbeiter sind Voraussetzung für den Erfolg einer Metzgerei, davon sind Martin Bartsch, sein Sohn Lukas und sein Neffe Frerk Sander überzeugt. Die Stadt-Fleischerei, 1957 von Christa und Bernhard Bartsch in Oldenburg gegründet, wird heute von den drei Familienmitgliedern geführt. Neben den drei Fachgeschäften beliefert die Fleischerei Gastronomen und Supermärkte in und um Oldenburg mit ihren eigenen Fahrzeugen. Fachgroßhändler erhalten ihre Ware bundesweit per Spedition. Mit rund 120 Mitarbeitern ist das Unternehmen mit insgesamt drei Filialen gut aufgestellt. „Ohne das Engagement von allen wäre solch eine erfolgreiche Entwicklung nicht möglich gewesen“, betont Martin Bartsch.
Wichtig ist ihm, dass jeder, der sich für einen Job in der Metzgerei interessiert, auch eine Chance bekommt. Auf der anderen Seite möchte sich Martin Bartsch mit seinem Unternehmen als guter Arbeitgeber präsentieren. Angestellte erhalten daher einen Zuschuss für die Mitgliedschaft im Fitnessstudio. Darüber hinaus gibt es kostenlose Getränke, Personalrabatt, Weihnachtsgeld sowie die Möglichkeit, ein E-Bike zu leasen.

Besondere Aufmerksamkeit widmet die Fleischerei ihren Azubis und investiert viel Zeit in deren Rekrutierung. Als die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen immer weiter zurückging, hat sich die Familie Bartsch im vergangenen Jahr etwas Besonderes einfallen lassen. Mit der Idee der „Candidate Journey“ sollte jede Phase der Bewerbung sowie die Berufsausbildung Schritt für Schritt neu gestaltet und optimiert werden.
Im ersten Schritt ging es darum, die Aufmerksamkeit der Bewerber zu gewinnen. Daher haben sich Bartschs dazu entschlossen, nach bestandener Probezeit die Kosten für den Führerschein zu übernehmen. „Damit haben wir uns im Raum Oldenburg und darüber hinaus ins Gespräch gebracht“, sagt Martin Bartsch. Für die Aktion geworben wurde in den Filialen, mit Anzeigen in Printmedien sowie online auf der Homepage und in den sozialen Netzwerken. Um die Hürden niedrig zu halten, konnte eine erste Kontaktaufnahme der Bewerber auch über WhatsApp erfolgen.

Auf der Homepage des Unternehmens finden Interessierte neben Informationen zur Ausbildung auch direkt ein Bewerbungsformular. „Wir benötigen keine aufwendig gestalteten Bewerbungsmappen“, sagt Lukas Bartsch. „Der Weg zu uns soll für jeden offen sein.“ Auch während der Ausbildungszeit erhalten die angehenden Fleischer oder Fachverkäufer Unterstützung. Neben einem Starterpaket mit Schulbüchern und -tasche, Schreibutensilien und Azubi-ABC vermittelt Martin Bartsch individuelle Förderangebote wie Nachhilfe oder Deutschunterricht. „Wir stehen im engen Austausch mit den Berufschullehrern. Wenn es Probleme gibt, versuchen wir zu helfen“, betont der Metzgermeister.
Mit Ausflügen wie etwa Kanutouren, Theaterbesuchen oder Wattwanderungen will die Familie Bartsch zusätzlich die Motivation fördern. Gleichzeitig soll die Bindung an das Unternehmen gestärkt werden. Erfolgreichen Auszubildenden ermöglicht die Fleischerei im dritten Lehrjahr zudem ein dreiwöchiges Praktikum in Österreich.

www.bartsch-oldenburg.de

Fotos: © Reinhard Rosendahl

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