„Von der Schnuffel bis zum Schwanz“

Metzgermeister Walter Adam überzeugt seine Kunden mit Beratung und ausgewählten Spezialitäten. Sein Credo: Wer ein Tier schlachtet, sollte es auch vollständig verwerten.

Es ist früher Dienstagmorgen: Im Schlacht- und Zerlegeraum der Metzgerei Walter Adam jun. in Herxheim sind jetzt Kraft und Geschicklichkeit gefordert. Mit vier Mitarbeitern ist der Chef dabei, die am Vortag geschlachteten Schweine zu zerlegen. Jeder arbeitet hoch konzentriert und weiß genau, was er zu tun hat. Schlachten, zerlegen, zuschneiden, Wurst zubereiten, Schinken einsalzen und räuchern – die Woche ist durchgetaktet, und an jedem Tag werden hier hochwertige Lebensmittel aus dem wertvollen Rohstoff Fleisch produziert.

Stressfreie Schlachtung

Mit der eigenen Schlachtung verwirklicht Adam seit 15 Jahren ein Konzept, das ihm von Anfang an am Herzen lag: Erstellt sein Produktsortiment von Grund auf selbst her. Für den Metzgermeister muss das Fleisch, das er verarbeitet, Top-Qualität haben. Rasse, Fütterung und die Haltung allgemein spielen da eine immens wichtige Rolle. Das Tierwohl ist für ihn eine Selbstverständlichkeit, und das Schlachten erfolgt für die Tiere so stressfrei wie möglich. Das Fleisch verwertet Adam dann vollständig, inklusive Knochen und Innereien. Selbst für Ohren, Pfoten und Schwänze hat er Abnehmer gefunden. „Heute sagt man ‚from nose to tail‘ dazu“, schmunzelt er. „Bei uns heißt das: von der Schnuffel bis zum Schwanz.“

Unter anderem trägt eine Vielzahl an regionalen Hausmacher Produkten wie Blut- und Leberwurst, Pfälzer Saumagen oder Schwartenmagen dazu bei, dass nur wenig vom Tier übrig bleibt. Aus den Knochen entsteht zudem eine kräftige Fleischbrühe, die Adam in Flaschen verkauft. Auch für die ausgewählten Steak-Cuts sowie die appetitlich duftenden Rohschinken ist die Metzgerei bekannt. Letzteren widmet Walter Adam viel Zeit und Aufmerksamkeit.
Mit seiner Mannschaft schlachtet Adam wöchentlich zehn bis zwölf Schweine, einen Bullen und zwei bis drei Lämmer. Die Tiere kommen von Landwirten, mit denen er seit Jahren zusammenarbeitet und die seine Philosophie teilen. Muss er hin und wieder zukaufen, dann nur nach gründlicher Prüfung und persönlichen Gesprächen vor Ort.
Die Tiere treffen am Tag vor der Schlachtung ein und verbringen dann eine ruhige Nacht auf Stroh. Zudem reduziert eine Extraportion Zucker im abendlichen Futter das Adrenalin im Körper, auch das verhindert die Ausschüttung von Stresshormonen. „Wie sehr sich das stressfreie Schlachten auf die Fleischqualität auswirkt“, so Adam, „ist mittlerweile wissenschaftlich nachgewiesen.“

Bei der Zerlegung der Schweinekeulen aus eigener Schlachtung ist Konzentration gefragt. Unter anderem werden hier die Teilstücke für die Schinken zugeschnitten.

Beratung und hohe Qualität

Die Kunden von Walter Adam kommen aus einem Umkreis von mehr als 100 Kilometern und wissen zu schätzen, was er ihnen bietet: Fleisch aus eigener Schlachtung und schmackhafte Produkte, die zu 99 Prozent aus eigener Herstellung stammen. Zudem Beratungskompetenz samt Ideenvielfalt, die beide über das Übliche hinausgehen. „Nur damit und mit einer besonders hochwertigen Fleischqualität können wir als handwerkliche Metzger punkten“, ist der Obermeister der Innungen Südliche Weinstraße/Landau/Germersheim überzeugt. Besondere Kompetenz erworben hat sich Adam unter anderem auch durch eine Ausbildung zum Fleischsommelier. Wenn es um die angesagten Cuts von Rind und Schwein geht, kann ihm keiner etwas vormachen.

Der Metzgermeister konzentriert sich heute nur noch auf die Kunden, die sein Ladengeschäft im pfälzischen Herxheim aufsuchen: kein Partyservice, keine Belieferung der Gastronomie, keine Filialen.
Allerdings bedient ein Verkaufswagen die umliegenden Ortschaften im täglichen Wechsel. „Durch unsere Lage mitten im Ort sind uns Einschränkungen auferlegt“, erklärt Adam. Ausbauen und mehr Räumlichkeiten schaffen für Laden, Produktion und Küche – dazu fehlt der Platz. Und einen Neubau planen im Gewerbegebiet? Dagegen hat sich der Metzgermeister längst entschieden – und macht das Beste aus seinem Standort.

Grillfans finden in der Metzgerei Adam ein Top-Angebot: Dry Aged Beef im Reifeschrank mit Salzwand (l.) ebenso wie Secreto vom Schwein (r.), ein Geheimtipp unter Kennern

Aktiv verkaufen

Das Ladengeschäft, vor wenigen Jahren umgebaut, bietet den Kunden ein hochwertiges Einkaufserlebnis. Die klar und übersichtlich gegliederte Theke erleichtert die Auswahl nach dem Motto „Weniger ist mehr“. Im große Schauschrank mit Salzwand reift Dry Aged Beef – ganze acht Wochen lang. Erst dann weise der Geschmack den typischen Charakter auf, ist der Metzgermeister nach einer ausführlichen Testphase überzeugt.
Hinter der Theke wirken Adams Frau Marion und sechs weitere, langjährige Mitarbeiterinnen. Sie punkten mit erstklassigem Fachwissen und Beratung: „Jeder lernt hier ständig dazu, wir bilden uns weiter, reden miteinander, erklären, tauschen Ideen aus, probieren und diskutieren.“ So ist sichergestellt, dass alle Bescheid wissen über die Produkte und deren Hintergrund, dass sie ihr Wissen vermitteln und Alternativen vorschlagen können – kurz: dass sie Kompetenz ausstrahlen. Denn gerade bei der Ganztiervermarktung sei es sehr wichtig, aktiv zu verkaufen, so der Chef.
So liegt zum Beispiel in der Theke das hierzulande wenig bekannte Secreto vom Schwein – perfekt zugeschnitten, bereit zum Grillen.
Seine Kunden seien gern bereit, Neues zu probieren, sagt der Metzger. „Doch darf hier der Hinweis nicht fehlen, dass das Stück in seinen zwei Teilen unbedingt quer zur Faser aufgeschnitten werden muss, nur dann überrascht es mit zartem Biss. Wer es falsch aufschneidet, wird von der zähen Konsistenz enttäuscht sein.“ Das Thekenteam weiß das, nimmt sich Zeit, klärt kenntnisreich auf. Auch das ist ein Grund für den regen Kundenzuspruch, den die Metzgerei genießt.

Werbung macht Walter Adam schon lange nicht mehr, auch in den sozialen Medien ist er nicht vertreten. Selbst eine Webseite sucht man im Internet vergebens. „Wir haben unsere Grenzen erreicht. Mehr als das, was wir mit unserem Team jetzt machen, können wir nicht bewältigen. Das heißt aber nicht, dass wir klein beigeben. Im Gegenteil: Wir machen etwas Gutes daraus.“

Das vor wenigen Jahren neu gestaltete Ladengeschäft macht das Einkaufen zum Vergnügen. Im Hintergrund das Dry Aged Beef im großen Reifeschrank mit Salzwand.

Der Schinkenspezialist   

Metzgermeister Walter Adam hat seinen Erfolg keineswegs aus dem Boden gestampft. „Das ist ein langer Prozess“ erklärt er, „bis heute lerne ich ständig dazu.“ Das gilt auch für seine Schinkenspezialitäten, deren Produktion er zunehmend ausbaut. Denn das Thema hat ihn gepackt. Seine Rohschinken produziert der Experte ganz nach traditioneller handwerklicher Art und gibt ihnen viel Zeit zum Reifen. Jeder Schinken wird per Hand mit Salz und einer speziellen – natürlich geheimen – Gewürzmischung eingerieben und dann drei Wochen in der sich bildenden Lake gepökelt. Im Anschluss erfolgt das einwöchige „Durchbrennen“, bei dem die Stücke bei kühlen Temperaturen an Gestellen hängen. Im Lauf des Durchbrennens erfolgt ein Ausgleich der Salzkonzentration von den Randzonen zum Kern hin. Danach befreit eine kräftige Wasserdusche oder auch längeres Wässern die Schinken äußerlich vom Salz.

Nach dem Brennen gelangen die Schinken in die Räucherkammer, wo sie mehrere Wochen bei moderaten Temperaturen – um die 15 Grad Celsius – kalt geräuchert werden. Für die Besichtigung öffnet Walter Adam die Räucherkammer nur kurz, denn nichts soll diesen Vorgang stören. Ein kritischer Blick: Sind noch genügend Holzspäne im Glutkasten? Ist die Rauchentwicklung auch nicht zu stark? Die ständige Überwachung der Temperatur und der glimmenden Holzspäne erfordern Expertenwissen und viel Aufmerksamkeit.

Im Kühlraum reifen die Schinken dann für weitere Wochen. Wie lange das dauert? „Wenn ein Schinken reift, entstehen unterschiedliche Gerüche“, erklärt Walter Adam und schnuppert aufmerksam an einem Exemplar. „Ein Schinken in Lake riecht anders als einer, der frisch gewässert ist. Dieser wieder anders als einer, der angeräuchert oder fertig geräuchert ist. Beim Reifen ändert sich auch die Struktur, sie wird zunehmend fester.“ All dies sind Kriterien, anhand derer er beurteilen kann, wie weit der Produktionsvorgang fortgeschritten ist. Erst wenn er mit dem Produkt vollkommen zufrieden ist, geht es in den Verkauf. Oder wird vakuumiert und im Kühlraum auf Vorrat gelagert.

Bei seiner Schinkenproduktion beschränkt sich Walter Adam schon längst nicht mehr auf die klassische Räucherware. Stolz präsentiert er eine Reihe ganzer Schinkenkeulen, die wie ein spanischer Serranoschinken mitsamt Knochen und Fuß verarbeitet wurden und jetzt wie jener sechs Monate an der Luft trocknen. Ein Ventilator sorgt ständig für die nötige Luftbewegung. Das Ergebnis überzeugt: Aroma und Geschmack könnten nicht besser sein. Und natürlich machen die großen Keulen auch optisch viel daher. Bis zu zwanzig dieser „Hingucker“ produziert die Metzgerei im Jahr.

Adam hat sich bei der Schinkenherstellung intensiv eingearbeitet – wie bei all seinen Ideen und Vorhaben, die er umsetzt. Hat gelesen, sich mit Kollegen unterhalten, sich bei Experten informiert. Denn die Schinkenproduktion sei eine Wissenschaft für sich, erklärt er. In Österreich gebe es sogar einen eigenen Ausbildungsgang, der sich nur auf diesen Bereich spezialisiert habe. Für ihn selbst sei die Produktion seiner gepökelten Spezialitäten ein fortdauernder Lernprozess. Der Erfolg lässt nicht auf sich warten: Die Schinken der Metzgerei finden begeisterte Abnehmer – mehr, als man derzeit produzieren kann. Schon im vergangenen Jahr war die Ware bereits im Oktober ausverkauft. Und für dieses Jahr zeichnet sich die gleiche Situation ab ­– obwohl Adam laufend drei Räucherkammern bestückt. Doch der Standort im südpfälzischen Herxheim bietet Einschränkungen: Im Sommer ist es dort einfach zu warm. Deshalb können die Räucherspezialitäten hier nur von Oktober bis Mai produziert werden. Für eine größere Vorratsmenge reichen die Kapazitäten nicht aus.

Doch Walter Adam weiß sich zu helfen. Mittlerweile plant er seine eigene kleine Schinkenmanufaktur und hat bereits mit dem Bau begonnen. In Erlenbach bei Dahn, nicht weit entfernt im Naturpark Pfälzer Wald/Nordvogesen gelegen, sind die Temperaturen kühler als in der Ebene, und der Metzgermeister hat zudem einen Reiferaum unter der Erde vorgesehen. Denn auch das hat ihn in bei einem Besuch in Österreich nachhaltig beeindruckt: Bei einem der dortigen Produzenten reifen die Schinken in einem ehemaligen Bergwerksstollen ihrer Vollendung entgegen. Eine Idee, die der pfiffige Metzgermeister aus der Pfalz gleich in seine Pläne mit einbezogen hat.

Fotos: © Thomas Schindel

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