Ein Macher, der in die Zukunft investiert
Ob elektronische Preisauszeichnung in der Theke, Onlineshop oder ein hochmodernes Produktionsgebäude: Stefan Horngacher weiß, moderne Technik für sich zu nutzen.
Auf den ersten Blick erscheint es widersprüchlich: In der anderthalbjährigen Bauphase seiner neuen Produktionsstätte im österreichischen Hochfilzen (Tirol) investierte Stefan Horngacher rund neun Millionen Euro. Doch mit seiner Metzgerei im sieben Kilometer entfernten Fieberbrunn erwirtschaftet er nur sechs Prozent seines Umsatzes. „Wir gehen mit der Zeit“, klärt der Unternehmer auf und macht klar, was beides für ihn, seinen Betrieb und seine 25 Mitarbeiter bedeutet: „Wir fokussieren uns auf Lebensmittelhandel, Gastronomie, Kantinen, Krankenhäuser und beliefern selbst das Militär“, sagt er nicht ohne Stolz. Tatsächlich werben viele Restaurants – selbst die im benachbarten Kitzbühel – damit, ihr Fleisch von Horngacher zu beziehen.
99 Prozent Freilandfleisch
Der Betrieb setzt auf regionales und nachhaltig erzeugtes Fleisch und verspricht in seinem Ladengeschäft, dass 99 Prozent der Ware von Tieren stamme, „die ihr Leben entspannt und größtenteils unter freiem Himmel verbracht haben“. Bei der von den Medien oft kritisierten Schweinehaltung vermarktet der Unternehmer das „Kössener Wald- und Wiesenschwein“, welches sich in freier Natur austoben darf. In einem auf der Webseite publizierten Video besucht Horngacher die Tiere vor Ort und verspricht den hundertprozentigen Verzicht auf Antibiotika. „Wir lieben unsere Tiere und es ist schön zu wissen, wie sie aufwachsen und woher sie kommen“, wirbt er. Tatsächlich liegt Kössen weniger als 50 Kilometer entfernt.
Ähnlich die Philosophie beim Lammfleisch: Es stammt von einem Bauer aus Reith, ebenfalls im Bundesland Tirol. Alle Lämmer wachsen bei ihren Mutterschafen auf. Weil der Landwirt sogar selbst schlachtet, gibt es keinerlei Transportwege zum Schlachthof – beste Voraussetzungen für eine gute Fleischqualität. Die als „Kaiserhendl“ vermarkteten regionalen Hähnchen leben nicht nur im Freien, sondern sind Teil der Wildmasthühnerrasse und versprechen ein besonders feinfasriges Fleisch. „Das Kaiserhendl hat bereits ab der vierten Lebenswoche tagsüber ungehinderten Zugang zu saftigen Kräutern und frischem Gras. Auch das Futter zur Zufütterung kommt selbstverständlich nur aus Österreich“, weist der Metzger auf weitere, für die Kunden klar nachvollziehbare Mehrwerte hin – die auch Gastronomen in ihren Speisekarten zu vermarkten wissen.
Das Auge isst mit: Zur Grillsaison bietet die Fleischerei eine Vielzahl selbst hergestellter Spieße – immer mit dem Versprechen einer klar nachvollziehbaren Fleischherkunft.
Regionale Produkte mit regionaler Identität: Bei der Vermarktung setzt Horngacher vor allem auf das Pillerseetal-Logo.
Hightech in der Produktion
In der im April dieses Jahres in Betrieb gegangenen Produktion setzt der Unternehmer auf modernste Technik und, daraus resultierend, eine effiziente Produktion. Horngacher zeigt sich als technikbegeisterter Macher, der sich beispielsweise für gleich drei kombinierte Heißrauch-, Kaltrauch- und Klimaräume sowie Kochanlagen eines großen Herstellers entschied. Kochen, räuchern, erwärmen, garen und trocknen – hier funktioniert alles in einem. „Wir haben bewusst nicht den billigsten Weg beschritten, sondern uns sozusagen für den Bentley entschieden“, berichtet er. Im Vergleich zu günstigeren Geräten seien beispielsweise so bei den geräucherten Würsten eine komplett einheitliche Farbgebung und Abtrocknung gewährleistet.
Auch die in den Alpen sehr uneinheitliche Wetterlage sei als Störfaktor nun ausgeschaltet. Der Betrieb produziert hier auch die verschiedenen Varianten des „Steff Menü“. Die Idee entstand im ersten Lockdown. Die fertig zubereiteten Gerichte sparen den Kunden zuhause viel Zeit. Seine Technikaffinität zeigt sich ebenfalls an der elektronischen Preisauszeichnung der Thekenware und in der Tatsache, dass die Metzgerei inzwischen drei Verkaufsautomaten aufgestellt hat. Weitere sind geplant. In ihnen wechseln sich die Sortimente saisonal ab. Neben den typischerweise im Sommer vorhandenen Grillspezialitäten sorgen im Winter conveniencegerechte, deftige Gerichte wie etwa Gulasch für neue Akzente. Ebenfalls schon heute beschäftigt sich der Unternehmer mit der „virtuellen Theke“, die womöglich bald das klassische Fachgeschäft ersetzen könnte – sei es aus Kostengründen oder wegen fehlender Fachkräfte. „Zuhause oder unterwegs den Einkauf tätigen und die Bestellung dann nur noch abholen – so etwas wird kommen, da bin ich mir absolut sicher“, glaubt er.
Bei den besonderen Räucherspezialitäten greifen sowohl Einheimische als auch Touristen gerne zu. Wo es geht, verzichtet der Betrieb auf Geschmacksverstärker.
Regionale Vermarktung
Beim Verkauf seiner Produkte setzt er vor allem auf das Pillerseetal-Logo. Der in unmittelbarer Nähe liegende See entstand vor etwa 15.000 Jahren durch einen Felssturz und lockt viele Touristen, aber auch einheimische Urlauber an. Die runden, blauen Etiketten zieren alle verpackten Spezialitäten – und das sind viele: Alleine die aus Schweine- und Rindfleisch hergestellten „Salametti“ gibt es als Chili-, Knoblauch-, Kräuter- und Pfeffervariante. Nicht nur im eigenen Fachgeschäft, sondern ebenso bei führenden Lebensmittelhändlern in ungefähr 100 Kilometer Umkreis. Horngacher ist eines dabei besonders wichtig: „Wo immer es geht, verzichten wir auf Geschmacksverstärker“, sagt er. Dieses Versprechen ziehe Kunden an. Differenzierung vom Wettbewerb schaffen ebenso hochpreisige Spezialitäten aus dem „Räucherregal“:
Zum Beispiel edle Rindersalami mediterrane Art und hochwertiger Rinderspeck. Auch dies sind Produkte, die in seinem Onlineshop erhältlich sind.
Vom Metzger frisch zubereitet:
Was sich hinter dem „Steff Menü“ verbirgt
Im ersten Lockdown entwickelte Stefan Horngacher aus Tirol eine Idee: Die nach ihm benannte „Steff Menü“-Produktrange. Rinderroulade, Karotten-Ingwersuppe, Boeuf Stroganoff oder Sugo Bolognese: Das sind nur vier Beispiele aus dem 20 Gerichte umfassenden Sortiment. „Ein Fertiggericht für Dich alleine oder die ganze Familie, das nach hauseigenen Rezepten in einer kleinen Küche entsteht und danach sofort noch warm konserviert wird“, erklärt das Prospekt. Dies jedoch ohne den Zusatz von Konservierungsstoffen und ohne Glutamat. Dennoch sollen alle Artikel einen Geschmack „wie frisch gekocht“ bieten, verspricht der Unternehmer.
Conveniencegerechter Imbiss für Ausflügler
Perspektivisch kann sich Stefan Horngacher für das Convenience-Sortiment weitere Absatzkanäle vorstellen: Der technikaffine Unternehmer denkt dabei an Möglichkeiten, die Mahlzeiten in Automaten zu integrieren, die beispielsweise an beliebten touristischen Freizeitzielen den gleichzeitigen Kauf inklusive Zubereitung (über eine im Automaten integrierte Erhitz-Funktion) und Verzehr ermöglichen.
Beilagen und Saucen inklusive
Gleichwohl bleibt das zentrale Qualitätsversprechen der Metzgerei ebenso im Convenience-Segment bestehen: Regionale, saisonale Produkte und eine klar transparente, nachvollziehbare Herkunft der Tiere. Wobei auch Saucen und Beilagen wie eine Orangen Jous, Knödel (als Speck-, Spinat-, Leber-, Semmel- und Kaspressvariante) und Suppen das Angebot abrunden.
Axel Stefan Sonntag
Bildnachweis: Hans-Rudolf Schulz