Kunstwerke aus dem Schwarzwald

Die Brüder Martin und Michael Gorenflo betreiben zwei Metzgereien. Mit unverwechselbaren Produkten profilieren sie sich im Wettbewerb.

Mitten im Schwarzwald liegt das kleine Städtchen Wolfach, idyllisch gelegen im Kinzigtal. Hier aus der Region kommt die Bollenhuttracht, ein weltweit bekanntes Markenzeichen für den Schwarzwald. Ebenso wie der echte Schwarzwälder Schinken: Wer ihn bei Martin und Michael Gorenflo einkauft, kann sicher sein, dass er ein Original bekommt. Und das laut „Feinschmecker“-Auszeichnung von einem der besten Metzger Deutschlands. Ein Grund für die Prämierung dürfte sein, dass die Brüder ihre Kunden immer wieder mit ihren selbstproduzierten Wurst- und Fleischwaren überzeugen und dabei Traditionelles mit zeitgemäßen Rezepturen verbinden.

Martin Gorenflo ist seit rund 40 Jahren Metzger, während sein jüngerer Bruder der Kaufmann in der Familie ist. Gemeinsam haben sie 1997 den 1964 gegründeten elterlichen Betrieb übernommen, hinzu kommt eine Filiale im rund 15 Kilometer entfernten Schenkenzell. Während Metzgermeister Martin die Produktion und den Wareneinkauf verantwortet, kümmert sich Michael um den Verkauf, den Partyservice und die Büroarbeit. „Chef sind wir beide, die Aufgabenteilung macht Sinn und funktioniert so bestens“, sind sie sich einig. Die Philosophie, sich als Handwerksbetrieb klar vom Angebot industriell verarbeiteter Wurst- und Fleischwaren in den Supermärkten zu unterscheiden, scheint viele Verbraucher zu überzeugen. Aus bis zu 30 Kilometer Entfernung kommen die Kunden zu ihnen, vor allem weil die Gorenflos ihr handwerkliches Können mit vielen einmaligen Spezialitäten unter Beweis stellen.

Aufschnitt als Hingucker

Eines ihrer Aushängeschilder sind die wechselnden, jede Woche frisch hergestellten Pasteten und Rouladen als Aufschnitt. Da locken beispielsweise die „Vier Jahreszeiten“ in einem Aufschnitt, der aus vier gepökelten und ähnlich einem Kleeblatt zusammengesetzten Fleischplatten besteht. Die einzelnen Platten bestehen aus Aufschnittbrät mit vier unterschiedlichen Einlagen wie Karotten oder Eier. Sofort ins Auge fällt ebenfalls die in Herzform gebrühte Filetwurstroulade, bei der Schweinefilet eingearbeitet ist. Ebenso originell zieht die Adler-Wurstroulade die Kundenblicke auf sich. Hier stellt die Metzgerei Rotwurst in Form eines stilisierten Adlers her, eingearbeitet in Lyonerbrät und umhüllt mit gepökelten Fleischscheiben.

All diese Wurstrouladen wurden ursprünglich nach Aufbau und Zusammensetzen mit weißen Stoffbändern aus Baumwolle gerollt und so in Form gebracht. „Roulade“ bezieht sich hier also nicht auf die bekannte Fleischspezialität, sondern auf das französische Wort „rouler“ („rollen“). Man spürt eben das nur rund 45 Kilometer entfernte Elsass. „Überlegen Sie mal die Bügelarbeit“, gibt jedoch Michael Gorenflo zu bedenken. Statt den Stoffbändern nehme man inzwischen Aluformen mit Deckel zum Pressen, wie sie etwa in der Kochschinkenproduktion zum Einsatz kommen.

Moderater Aufpreis

Die Produktion all dieser Besonderheiten sei sehr aufwendig, gibt Martin zu. Die Idee stammt noch vom Vater. Ihn lobten schon damals die Kunden: „Das ist keine Wurst, das sind Kunstwerke.“ Da mag es überraschen, dass der Preis pro Kilogramm nur etwa zwei Euro über dem normalen Aufschnitt liegt. Das sei eigentlich für den Aufwand zu wenig, doch als „Eyecatcher“ in der Vermarktung ein großer Gewinn. Doch dem Metzgermeister kommt es nicht allein auf die Optik an: „Wir achten darauf, dass die Komponenten harmonieren und es geschmacklich passt.“ Und mit bescheidenem Stolz fügt er hinzu: „Wir haben in der Region bei der Aufschnittware eine Benchmark geschaffen, sowohl in der Auswahl und Qualität sowie im besonderen, handwerklichen Bereich.“

Ebenfalls alles andere als Standard sind die Salami-Eigenkreationen, die sorgfältig aufgereiht an der Wand hängen. Einige davon sind verfeinert mit typisch regionalen Zutaten wie Kirschwasser oder Himbeergeist. Auch fettreduzierte Wurstwaren wie die in ihrer Körnung grobe und doch sehr magere „Wolftal-Salami“ sind individuelle Besonderheiten.

Tourismus als Zusatzgeschäft

Ein dankbares Zusatzgeschäft sind die Touristen. Für viele von ihnen sind die heimischen Wurstwaren als Urlaubsmitbringsel ein „Muss“. „Unsere Schwarzwälder Bauernbratwürste und die geräucherten Vesperstecken gehören zu den Favoriten“, berichtet Verkaufsexperte Michael. Vor allem in den Sommermonaten machen sich die Urlauber im Umsatz bemerkbar. Und mit Corona kamen nochmal mehr Bundesbürger in das Kinzigtal. Auf acht bis zehn Prozent beziffern die Brüder ihren Umsatzzuwachs.

Auch Mitte November steht noch eine junge Familie vor dem Ladengeschäft der Gorenflos und überlegt, was sie fürs Abendessen in der Ferienwohnung einkaufen soll. Vor dem Einkauf sind sie am Panaromaweg entlang der Kinzig spaziert, der sie direkt zur Metzgerei führt, die zentral an einer der beiden Brücken liegt, die Wolfach in Nord und Süd teilt und miteinander verbindet – beste Lage also!

Maultaschen nach Frankfurt

Oft aber ergibt sich im Geschäft mit den Auswärtigen noch mehr als der reine Urlaubseinkauf. Durchaus entstanden bereits langfristige, gute Kundenbeziehungen: „Wir liefern auf Amrum und ins tiefste Bayern.“ Ein Urlauber war es, der die hausgemachten Maultaschen von Wolfach in ein Restaurant nach Frankfurt brachte, wo sie seither – dank guter Nachfrage – fester Bestandteil der Speisekarte sind. Das Rezept für deren Füllung bleibt ein Familiengeheimnis. Nur soviel sei verraten: „Zum Fleisch und den Gewürzen verwenden wir zusätzlich frischen Lauch.“ Den Nudelteig kaufen sie bei ihrer regionalen Genossenschaft, der FGS Baden eG in Offenburg.

Die Genossenschaft ist für die Gorenflos der wichtigste Partner, wenn es um den Wareneinkauf geht. Vier Tonnen Fleisch verarbeitet Martin mit seinen Mitarbeitern wöchentlich in den Produktionsräumen direkt hinter dem Ladengeschäft. Jedes Stück davon sucht er sich immer mittwochs, wenn er zur FGS fährt, selbst aus. „Ich will mich persönlich von der Qualität überzeugen. Der Einkauf unserer Rohstoffe über die Genossenschaft sichert uns den Zugang zu bester Ware, selbst dann, wenn wir kleinere Mengen abnehmen. Das ist ein großer Vorteil für uns, weil wir täglich frisch produzieren.“ Mehr als 90 Prozent all dessen, was die Metzgerei ihren Kunden zum Verkauf anbietet, produziert sie selbst. Internationale Spezialitäten wie französische Ringsalami, Parmaschinken und Büdnerfleisch ergänzen das Sortiment. Dazu kommen Trockenprodukte wie Nudeln, Gemüsekonserven oder Saucen, auch unter der Gilde-Marke. „Wir profitieren von einem sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnis.“

Corona bringt einen Umsatzschub

Geschlossene Gaststätten und verbreitetes Home-Office bescherten der Metzgerei in den vergangenen zwei Jahren neue Kundschaft. Vor allem solche, die vorher kaum oder selten selbst kochte. Hinzu kommen Verbraucher, die sich in den Lockdown-Phasen bewusst etwas gönnen wollten. „Gut zu beraten, war schon immer Teil unseres Konzepts. Deshalb legen wir unseren Schwerpunkt auf den Ladenverkauf und nicht auf eine Direktvermarktung oder die Gastronomiebelieferung“, erklärt Michael Gorenflo. Vor allem all jene, die den Einkauf im Fachgeschäft neu für sich entdecken, würden Beratung regelrecht erwarten. Mit seinem 14-köpfigen Verkaufsteam beantwortet er gerne, woher das Fleisch kommt und gibt Tipps und Hinweise für die Zubereitung. „Es gibt wieder mehr Kunden, die sagen: Lieber esse ich weniger Fleisch, dafür aber gutes“, beobachtet Michael Gorenflo den Trend zu bewussterem Fleischkonsum, auch bei jüngeren Kunden.

Rind nur als Färsenfleisch

Weil er bei der Qualität keine Kompromisse eingehen möchte, landet Rind bei Martin Gorenflo nur als Färsenfleisch aus der Region in seiner Küche. „Das ist zwar aufwendiger zum Verarbeiten und wesentlich teurer, aber geschmacklich lohnt es sich“, ist er überzeugt. Die Kunden würden den Preis akzeptieren, weil auch sie den Unterschied feststellen. Ebenso klar sind sich die Brüder darin, nicht jeden Trend am Markt mitzumachen. Ein Beispiel sei das US-amerikanische Flanksteak, das immer mehr Grillbegeisterte nachfragen. „Da wird es schwierig. In den USA werden die Tiere anders gemästet, fetter und älter geschlachtet. Außerdem sind es andere Rassen, als die aus unserer Region. Rindfleisch für Flanksteaks müssten wir also zukaufen. Das aber passt nicht in unser Konzept“, sagt der erfahrene Metzger. Was für die beiden aber durchaus passt ist, das klassische Geschäft mit vegetarischen oder sogar veganen Speisen zu ergänzen – und zwar sowohl beim Mittagstisch, als auch beim reichhaltigen Salatangebot in der Theke oder im Catering.

Ebenfalls neu im Sortiment ist das selbst gekochte und eingemachte Pulled Pork und Indian Curry. Eine Portion aus dem Glas gibt es für 5,80 Euro. Ein Beispiel für ein gelungenes Update eines Sortimentes, welches traditionell aus hausgemachtem Gulasch oder Bolognese besteht. „Die neuen Rezepte sprechen vor allem Jüngere an“, beobachtet Martina Gorenflo. Die Ehefrau des Metzgermeisters arbeitet im Verkauf des Familienbetriebs mit.

Ausbildung: Handwerk im Nachteil

Doch junge Menschen für die Metzgerei als Arbeitgeber zu begeistern, bleibt gewohnt schwierig. „Wir würden gerne ausbilden“, sagt Ehemann Martin. Dass er zuletzt einen Auszubildenden hatte, ist schon ein paar Jahre her. Zwar passiere es immer wieder, dass sich Jugendliche für eine Karriere im Handwerk interessierten. Dann aber animieren deren Lehrer dazu, weiter auf die Schule zu gehen. „Handwerksbetriebe haben es da generell schwer“, bedauert er. Im Verkauf sehe es nicht besser aus. Die größeren Industriebetriebe in der Umgebung sind für die Metzgerei eine echte Konkurrenz, gegen die sie nur selten ankommt. Trotzdem werben sie mit einem großen Banner „Verkäufer/in gesucht“ an der Hauswand. Martin Gorenflo hat es selbst entworfen, ebenso wie verschiedene Labels für seine Wurstwaren, Aufkleber oder die kleinen Geschenkschachteln im Schwarzwald-Outfit. „Denn letzten Endes ist es Liebe“, ist darauf zu lesen. Eigentlich hatte er sogar eine Dose in Herzform geplant, wegen Materialschwierigkeiten des Lieferanten musste er aber kurzfristig umplanen. Überhaupt besitzt er viele kreative Ideen, die er dann mit verschiedenen Grafikprogrammen am PC umsetzt. Einmal kreierte er zu Weihnachten Salami in Form einer Zuckerstange, verpackt in einem rot-weißen Textildarm.

www.metzgerei-gorenflo.de

Sabine Baur

Bildnachweis: Thomas Schindel

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