Nachhaltig unterwegs

Fleischermeister Jens Engel aus dem niedersächsischen Ahlerstedt engagiert sich für die Umwelt – auch in seinem eigenen Betrieb.

Eine eigene Rinderzucht, selbstgemachte Produkte wie Suppen in Pfandgläsern, weniger Plastikmüll im Verkaufsraum – nachhaltiges Wirtschaften im Einklang mit Mensch, Tier und Natur liegt Jens Engel am Herzen. Vor 13 Jahren hat er das Fleischerfachgeschäft seiner Eltern im niedersächsischen Ahlerstedt im Kreis Stade übernommen. Seitdem hat sich einiges verändert. „Bewusster Konsum ist mir wichtig“, betont der 43-jährige Metzgermeister. „Die Menschen sollten sich damit auseinandersetzen, was sie essen, und Tiere als Lebensmittel mehr zu schätzen wissen.“

Im Ladengeschäft der Fleischerei Engel gibt es eine Auswahl an Fleisch- und Wurstwaren aus der Region sowie selbst hergestellte Feinkostsalate.

Eigene Rinderzucht

Zusammen mit einem Freund, Landwirt Jan Witt, hat sich Jens Engel vor einigen Jahren dazu entschlossen, eigene Rinder zu züchten. Zum einen, um seinen Kunden hochwertiges Rindfleisch anbieten zu können, zum anderen aber auch, damit diese sich einen eigenen Eindruck von den Haltungsbedingungen und der Aufzucht machen können. Der nur rund zehn Kilometer entfernte Gutshof von Jan Witt liegt inmitten der Elbmarsch – ideal für einen Ausflug ins Grüne. „Ich weiß genau, wo und wie die Tiere leben, welches Futter sie bekommen, und kenne ihre Eigenarten“, so Engel. „Jeder, der bei mir einkauft, hat die Möglichkeit, sie zu besuchen.
So etwas prägt sich eher im Bewusstsein ein, als wenn man nur das fertige Stück Fleisch auf dem Teller liegen hat.“ So gibt es etwa regelmäßig Anfragen von Schulen, welche mit den Klassen einen Ausflug zum Gutshof planen. Transparenz von der Aufzucht bis zur Schlachtung – ein Leitspruch, der in der Fleischerei Engel schon seit der Gründung gilt. Die meisten Produkte werden selbst hergestellt, nur 20 bis 30 Prozent zugekauft. Zu den Spezialitäten gehören Nackensteaks, aber auch die selbstgemachte Rinderbratwurst mit Kräutern.

Beliebt sind außerdem Dry-Aged-Produkte sowie Burger-Pattys. „Es ist nicht immer leicht, die Kunden von neuen Produkten zu überzeugen“, berichtet Engel. Mit ihren lokalen Rindfleischspezialitäten hat die Fleischerei sich jedoch in der Region einen Namen gemacht. Viele Kunden kommen nur deshalb. „Als Fachgeschäft sollten wir den Kunden etwas Besonderes bieten“, ist Engel überzeugt. „Irgendwie müssen wir uns doch von der Konkurrenz der Supermärkte abheben.“

Der Dry-Age-Schrank im Ladengeschäft sorgt für Aufmerksamkeit der Kunden. Hier reift das Fleisch der Welsh-Black- und Hereford-Rinder aus eigener Haltung.

Grüne Verkaufsargumente

Zur Verkaufsstrategie von Jens Engel gehört auch, seine Stammkundschaft bei wichtigen Entscheidungen und Neuerungen mit einzubeziehen. Als er sich gemeinsam mit seinen Eltern vor einigen Jahren dazu entschied, das Schlachten der Tiere auszulagern, veranstaltete er vorab eine Kundenbefragung. Für die meisten war es in Ordnung, sofern die Tiere ebenfalls in der unmittelbaren Region geschlachtet und nicht Hunderte von Kilometern transportiert werden müssen. „Das ist auch überhaupt nicht in meinem Interesse“, so Engel. „Wir lassen jetzt in Jork schlachten, das ist nur 25 Kilometer entfernt, uns erspart es aber viel Zeit und zusätzliche Manpower.“

Die Zeit, die er dadurch gewinnt, dass er nicht mehr selbst schlachtet, investiert Jens Engel lieber in den Umweltschutz. So verfügt die Metzgerei über Solaranlagen auf dem Dach, nutzt Anlagen zur Wärmerückgewinnung sowie ein Elektrofahrzeug für die Auslieferung von Fleisch- und Wurstwaren. Seit rund fünf Jahren setzt die Metzgerei zudem auf alternatives Verpackungsmaterial und hat alle Plastiktüten aus dem Verkaufsraum verbannt.
Mit seiner Idee konnte Jens Engel auch andere Gewerbetreibende aus der Region begeisterte. Elf weitere Unternehmen ließen sich von seinem Engagement anstecken, verbannten ebenfalls ihre Plastiktüten aus dem Betrieb und ersetzten diese mit CO2-neutralen Papiertüten, die zu 100 Prozent kompostierbar sind. „Ich halte nichts von der Aussage, dass man als Einzelner sowieso nichts zum Schutz der Umwelt beitragen kann“, erklärt Engel. „Wenn jeder Einzelne nur ein bisschen was tut, verändert sich auch etwas. Davon bin ich überzeugt.“

Statt Plastiktüten gibt es nur noch solche aus Papier. Suppen und andere hausgemachte Fertigprodukte bietet die Fleischerei Engel in Pfandgläsern an.

Weniger ist mehr

Mit seiner Fleischerei sieht sich Jens Engel in der Verantwortung, seinen Kunden hochwertige Produkte anzubieten. Er selbst isst seit einigen Jahren viel bewusster Fleisch und achtet verstärkt auf seine Ernährung. „Der Mensch sollte maßvoller konsumieren“, sagt er. „Ob man durch ungesunde Ernährung seinem Körper schadet oder gedankenlos wertvolle Ressourcen verschwendet: Alles kommt zu einem zurück.“ Bei seinen Fleischerei-Angeboten konzentriert er sich daher auf das Wesentliche: Nicht zu viele, dafür hochwertige Produkte in der Ladentheke, selbstgemachte Suppen und Fleischgerichte in Pfandgläsern, ein paar Gewürze von einem Hersteller aus der Region, an zwei Tagen in der Woche ein Mittagsgericht. Den Partyservice aus Vor-Corona-Zeiten möchte er nicht mehr aufnehmen. Viel zu aufwendig, sagt Jens Engel. Viel lieber möchte er seine freie Zeit in neue Umweltschutzprojekte investieren. Ideen dafür hat er schon jede Menge. „Der Schutz von Tier und Umwelt ist für mich eine Herzenssache“, erklärter. „Ich selber hab meinen Fleisch- und Wurstkonsum ganz bewusst zurückgeschraubt. Ein- bis zweimal die Woche gibt es Würstchen frisch aus dem Rauch oder mal ein leckeres Steak von der Weide. Eben Qualität statt Quantität.“

www.fleischerei-engel.de

Zusammen mit einem Freund züchtet Jens Engel seine eigenen Rinder. Die Kunden der Fleischerei können sich vor Ort von den guten Haltungsbedingungen überzeugen.

Aktiv für den Umweltschutz

Auf dem Dach der Fleischerei Engel im niedersächsischen Ahlerstedt befindet sich eine Solaranlage. Die gewonnene Energie nutzt Fleischermeister Jens Engel nicht nur für Produktion und Laden, sondern auch zum Aufladen des Lieferfahrzeugs, ein Nissan mit Elektroantrieb mit einer Reichweite von 140 Kilometern. Doch das war ihm nicht genug. Also setzte er vor rund fünf Jahren eine Anti-Verpackungsaktion in Gang, aus der mittlerweile ein nachhaltiges Projekt geworden ist. Insgesamt zwölf Betriebe engagieren sich bis heute und sagen „Tschüss zur Plastiktüte“. „Früher haben wir unseren Kunden die kostenfreie Plastiktüte mitgegeben“, erzählt Jens Engel. „Der Verbrauch lag bei 6.000 Stück in vier Monaten. Das war einfach zu viel.“ Als Ersatz für die von ihm verpönten Plastikvarianten bietet er nun Stoffbeutel für einen Euro ein. Die CO2-neutralen, recyclefähigen Papiertüten gibt es für 20 Cent, die in einer Spendenbox landen. Mit dem Geld sollen weitere Umweltprojekte finanziert werden wie der Artenvielfalt-Turm, den die Gemeinde auf Initiative von Jens Engel im Ortskern von Ahlerstedt errichtet hat. In dem fünf Meter hohen Turm finden Fledermäuse und Vögel einen Ort zum Nisten, für Bienen gibt es ebenfalls eine separate Möglichkeit. Für die Realisierung arbeitete Jens Engel zusätzlich ein Konzept aus und tingelte von Tür zu Tür, um das Ahlerstedter Umweltprojekt vorzustellen. Es sieht vor, dass Firmen Einlagen über jeweils 50 Euro einzahlen und dass aus diesem von Engel verwalteten Spendentopf Grünflächen im Ort bepflanzt werden. 60 Unternehmen nahmen teil. „Der Schutz von Tier und Natur liegt mir am Herzen“, sagt Jens Engel. „Wir sollten mehr an unsere Zukunft denken und uns Gedanken machen, wie wir Dinge besser machen können. Jeder kann etwas tun.“

Engel geht beim Sparen von vermeidbaren Verpackungen sogar noch einen Schritt weiter. So haben Kunden die Möglichkeit, für ihren Einkauf eigene Wurstboxen und Tupperdosen mitzubringen. Dafür erhalten sie in ein Kärtchen aus Altpapier einen Stempel, bei zehn Stempeln gibt es zehn Prozent Ermäßigung auf alle Fleisch- und Wurstprodukte. Bei den kundeneigenen Boxen läuft das Prozedere beim Bedienen zunächst wie üblich. Papier wird auf die Waage gelegt, tariert, die Ware ausgewogen und eingeschlagen, dann allerdings wird sie in das auf die Theke gestellte Behältnis gelegt. Vor gut einem Jahr haben sich Engels noch etwas anderes einfallen lassen: Alle Produkte, welche die Kunden fertig mit nach Hause nehmen können, bietet sie in Pfandflaschen und -gläsern an. Für die kleinen Gläser nehmen sie 20 Cent Pfand, für die Flaschen 50 Cent. „Die Einmachgläser können wiederverwendet werden“, sagt Jens Engel. „Außerdem haben wir festgestellt, dass die Produkte länger haltbar sind.“

Das von Jens Engel im Verkauf eingesetzte „Tütle“ besteht aus purem, reißfestem und kompostierbarem Altpapier, das auch für die Bio-Tonne wiederverwendet werden kann. Der Aufdruck weist von A bis Z sämtliche Förderer aus, die sich dank des Einsatzes des Fleischers für die Umwelt in der kleinen niedersächsischen Gemeinde engagieren.

Fotos: © Reinhard Rosendahl

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