Mehr Lust auf Spezialitäten

Wo der Fleischer als Spezialist für gutes Essen und Genuss gilt, erwarten Kunden auch ein ausgewähltes Sortiment an Käse, gute Beratung sowie Tipps von Experten.

Wer Käse anbietet, sollte sich nicht auf das Standardsortiment beschränken, sondern sich auch mal an (regionale) Spezialitäten herantrauen. Und er muss wissen, was er verkauft, nur dann kann er die Kunden beraten.“ Das sagt Melanie Koithan, Diplom-Käsesommelière und Fachberaterin in Sachen Käsetheke. „Auch in der kleinen Theke sollte von allen Käsetypen mindestens einer vertreten sein, besser sind zwei oder drei“, erklärt sie weiter. Hart- und Schnittkäse stehe der größere Anteil zu, die würden am meisten gekauft. Letztlich sei die Auswahl aber abhängig von der Kundenstruktur und vom Standort des Marktes.
Optimalerweise enthält die Theke Vertreter aus jeder Käsefamilie: Bei den Hart- und Schnittkäsen etwa kräftige Bergkäse sowie Lochkäse wie Emmentaler oder Leerdammer, aber auch milden Gouda. Mindestens ein affinierter (verfeinerter) Bergmilchkäse sollte dabei sein, etwa eine Sorte mit Blüten oder Kräutern. „Dazu Weich- und Edelpilzkäse, Frischkäse sowie ein bisschen Schaf und Ziege“, so Koithan. Wer ein Ohr für die Wünsche und Vorlieben seiner Kunden hat, wird das Angebot entsprechend ausbauen und immer mal wieder die eine oder andere neue Sorte präsentieren.
Kunden bewerten es positiv, wenn Käse am Stück präsentiert und beim Kauf frisch aufgeschnitten wird. Das weiß man zum Beispiel auch bei der Käserei Goldsteig. Hier bieten sich etwa der Emmentaler und der Almdammer an, beide im 2,5-Kilogramm-Riegel erhältlich. Ein „Brotzeitbrett“, etwa mit Kä sescheiben und -würfeln, mache den Kunden Appetit, so ein Vorschlag für die Theke.

Heu- und Weidemilchkäse

„Eine große Käuferschicht ist neugierig und sucht nach Spezialitäten, die sich von den bekannten Produktklassikern abheben“, sagt Käsesommelier Matthias Köpf, Marketingleiter bei den Käserebellen aus dem bayerischen Steingaden. Dieser Marktanforderung versuche sein Unternehmen durch besondere Kreationen zu entsprechen, etwa dem Vulkan-Rebell. Mit seiner dunklen Oberfläche und dem satten Orange des Inneren erweise er sich als Blickfang in der Theke. Bei Fleisch stehen Themen wie Nachhaltigkeit, Tierwohl und Regionalität mittlerweile stark im Fokus, und viele Fleischer-Fachgeschäfte haben dies mit ihren Produkten längst aufgegriffen. Von der neuen Einstellung der Konsumenten profitiert auch Käse, zum Beispiel mit Konzepten der Heu- und Weidemilchkäse. So stellen etwa die Käserebellen ihre Produkte zu 100 Prozent aus Heumilch her.
„Wir sind überzeugt, dass eine große Käuferschicht in den letzten Jahren ein stärkeres Bewusstsein für Lebensmittel geschaffen hat“, sagt Köpf. Grundsätzlich lasse sich dieser Kundenanforderung nur nachhaltig begegnen, indem die Wertschöpfungskette der Lebensmittel nach und nach zu kleineren Strukturen zurückkehre, so der Käseexperte. Das passt genau zur Philosophie vieler Fleischer-Fachgeschäfte, die ihre Kunden mit handwerklicher Herstellung überzeugen.
Auf Regionalität setzt auch die Marke Petrella: „Für Petrella verwenden wir nur Milch aus dem Weserbergland, die im Umkreis von 50 Kilometern um unsere Molkerei von Kühen produziert wird, die sich frei bewegen können“, erklärt Olaf Frenzel, Nationaler Key Account Manager bei Petri Feinkost.

Vielfalt im Geschmack

Für Frenzel ist Frischkäse ein wichtiger Bestandteil in der Käsetheke, weil er den Kunden in unterschiedliche Geschmackswelten entführe. Da sei etwa der Klassiker Petrella Schnittlauch, der durch den Abstreu mit frischem Schnittlauch in der Theke hervorsteche, oder die süß-scharfe Sorte Peppasweet (Kirschpaprika), die durch das knackige Mundgefühl überrasche. Die klassische Präsentation von Frischkäse erfolge in der Schale, attraktiv sei aber auch das Anrichten auf Servierplatten. „Dann Abstreu wie zum Bespiel Schnittlauch oder rote Paprikawürfel aufbringen, und fertig ist der Hingucker in der Theke“, empfiehlt der Experte.

„Wer sich auskennt, kann seine Kunden besser informieren.“
Interview mit Diplom-Käsesommelière Melanie Koithahn


Melanie Koithahn kommt aus der Praxis: Durch langjährige Erfahrung im Familienbetrieb an der Fleisch-, Wurst und Käsetheke, später durch
Fortbildungen, Fachliteratur, Trendreisen und Workshops eignete sich im Käsesegment umfangreiches Wissen an. Als Diplom-Käsesommelière gibt sie dies heute in zahlreichen Seminaren und Workshops weiter, unter anderem für den Deutschen Fleischer-Verband, die ZENTRAG und die regionalen Genossenschaften. Mehr unter www.kaesekonzepte.de

 

Frau Koithahn, ein Käseangebot gehört mittlerweile zum Standard in den meisten Fleischer-Fachgeschäften: Was sehen Sie als das Minimum an?
Es hängt natürlich immer vom Einzugsgebiet und vor allem von der Kundenstruktur ab, wie umfangreich die Käsetheke sein darf. Meiner Erfahrung nach sollte das Käseangebot mindestens eine Thekenbreite von 80 Zentimetern einnehmen; wenn das nicht möglich ist, würde ich auf Käse lieber ganz verzichten. Als Faustregel empfehle ich auf einen Meter Theke mindestens 20 bis 30 Käsesorten.

Welche Sorten sollten dies sein?
Wer Käse anbietet, sollte sich nicht auf das Standardsortiment beschränken, sondern sich auch mal an (regionale) Spezialitäten herantrauen. Und er muss wissen, was er verkauft, nur dann kann er die Kunden beraten. Auch in der kleinen Käsetheke sollte von allen Käsetypen mindestens einer vertreten sein, besser sind zwei oder drei. Hart- und Schnittkäse steht zweifellos der größte Anteil zu, die werden am meisten gekauft. Dazu gehören kräftige Bergkäse, etwa aus der Schweiz oder aus Österreich, ebenso wie zum Beispiel ein milder junger Gouda. Auch mindestens ein affinierter Bergmilchkäse sollte dabei sein, das sind die, die mit Blüten, Pfeffer, Gewürzen und so weiter verfeinert sind. Aber auch Lochkäse wie ein Emmentaler oder Leerdammer haben ihren Platz. Dazu kommen Weichkäse und Frischkäse sowie ein bisschen Schaf und Ziege. Jeweils eine Sorte reicht hier, das kann bei Schaf etwa ein Feta sein oder der spanische Hartkäse Manchego.

Und bei den Weichkäsen?
Bei den Weichkäsen gibt es die mit weißem Außenschimmel, etwa Camembert und Brie, sowie die mit Innenschimmel, also die „blauen“ wie Gorgonzola oder Roquefort. Dazu kommen die Sorten mit gewaschener Rinde, wie Münster, oft als Rotschmierkäse bezeichnet. Jede Theke sollte zumindest einige Weichkäse beinhalten. Es gilt aber auch auf die regionalen Vorlieben zu achten: In unserer Fleischerei im Harz haben wir zum Beispiel ein größeres Sortiment an Sauermilchkäsen, die sind dort traditionell beliebt. Und das Angebot muss sich natürlich verkaufen – also heißt es ausprobieren, was bei den Kunden ankommt.

Gehört Frischkäse auch ins Sortiment?
Unbedingt! Wir verfeinern Frischkäse selbst nach eigenen Rezepturen oder füllen auch mal andere Weichkäse damit.

Für wie wichtig halten Sie eine Käseauswahl aus der Region?
Die Verbraucher legen heute sehr viel Wert auf regionale Produkte, sie wollen wissen, wo ihre Lebensmittel herkommen und wie es mit der Nachhaltigkeit aussieht. Gerade Kunden im Fleischer-Fachgeschäft achten darauf. Regionale Käsespezialitäten halte ich deshalb für sehr wichtig. Fleischer, die nach regionalen Lieferanten suchen, werden zum Beispiel unter www.hofkaese.de fündig, hier gibt es einen Link zur Milch- & Käsestraße und dort wiederum ist für jedes Bundesland eine Vielzahl an Hofkäsereien aufgelistet. Da können sich Fleischer-Fachgeschäfte gut informieren.

Was ist mit europäischen Spezialitäten, etwa aus Frankreich, Italien oder Spanien?
Fleischer, die internationale Spezialitäten wie Parmaschinken, Serrano und Co. im Sortiment führen oder bei Fleisch Edelteile oder Dry Aged herausstellen, sprechen anspruchsvolle Kunden an. Solche Feinkost-Spezialisten sollten ihre Käsetheke zusätzlich mit ausgesuchten internationalen Spezialitäten aufwerten.

Welche Kundenfragen muss eine Fachkraft an der Käsetheke beantworten können?
Sie muss ihr Sortiment kennen, wie lange sie gereift sind und wie sie schmecken. Auch Fragen nach Rohmilch, Laktose oder dem Fettgehalt muss sie beantworten können.
Für Kunden ist es zudem wichtig zu erfahren, aus welcher Milch der Käse gemacht ist. Dabei geht es nicht nur um Kuh, Schaf, Ziege oder Büffel…

… sondern auch um die Haltung der Tiere?
Genau. Um die Haltung, um Nachhaltigkeit und Regionalität. Da spielt etwa die Fütterung eine große Rolle. Auch deshalb sind Käsesorten aus Heumilch oder Weidemilch heute im Trend. Dazu muss ich als Thekenfachkraft eine ganze Menge über Milch und ihre Qualitäten wissen. Rohmilch ist ebenfalls ein wichtiges Thema. Bei Rohmilchkäse kann man zum Beispiel von einer traditionellen Fütterung ausgehen: Gras im Sommer, Heu im Winter, meist Weidegang. Kleinere Betriebe melken zudem zwei Mal am Tag, und diese Rohmilch muss innerhalb von 24 Stunden verarbeitet sein. Wer sich auskennt, kann seine Kunden besser informieren.

Welche Rolle spielen Aussagen zum Geschmack?
Eine Thekenfachkraft sollte mindestens eine Vokabel zum Geschmack kommunizieren können, die über die üblichen Beschreibungen hinausreicht. Also nicht nur so allgemeine Begriffe wie mild, pikant, würzig verwenden, sondern den Geschmack genauer beschreiben, etwa: nach Kräutern, nussig, fruchtig, süßlich-nussig, würzig-nussig.

Muss ich denn alle Käse selbst probiert haben?
Das auf jeden Fall, auch wenn ich vielleicht nicht jede Sorte mag. Auch die Textur spielt eine Rolle: Wie fühlt der Käse sich im Mund an, ist er cremig oder enthält er Reifekristalle, ist also ein bisschen „crunchy“? Das alles lässt sich beschreiben.

Welche Informationen kann ich Kunden noch geben?
Zum Beispiel Empfehlungen für weitere Verwendungen von Käse, die über den Brotbelag hinausgehen. Alle Sorten mit über 45 Prozent Fett in der Trockenmasse eignen sich zum Beispiel zum Überbacken. Genauso übrigens wie für Raclette. Wer es würziger mag, verwendet eine kräftigere Sorte, wer es mild mag, nimmt eben einen jungen Gouda. 

Wie wird Käse in der Theke verkaufsfördernd präsentiert?
Zeigen Sie Käse immer im Anschnitt, genau wie Wurst. Also auspacken, anschneiden und mit der Schnittfläche zum Kunden hin präsentieren. Damit er nicht austrocknet, in Folie packen: Diese sollte immer zur Unterseite hin verschlossen werden, einmal wegen der Optik, aber auch, damit sich nicht versehentlich öffnet.

Passt auch mal ein ganzer Käselaib in die Theke?
Auch in der kleineren Käsetheke kommen große Stücke gut raus. Man kann zum Beispiel einen Laib halbieren und die beiden Hälften dann übereinanderstapeln, das schafft Optik. Meine Devise lautet: Lieber weniger Auswahl und dies auffällig, als lauter kleine Stückchen. Der Aufbau der Käsesorten sollte stufenförmig erfolgen, hinten die größeren Laibe, nach vorne abfallend die Kleineren. Auch beim Frischkäse arbeite ich gerne mit großen Schalen. Der Abverkauf muss natürlich gewährleistet sein, aber wenn so ein Frischkäse in der großen Schüssel appetitlich angerichtet ist, ist er meist ganz schnell weg. Ich stelle ihn auch mal mitten unter die Salate oder als optisches Highlight in die Wursttheke. Das fällt dann ganz besonders auf.

Was halten Sie von Verkostungen in Zeiten der Corona-Pandemie?
Verkosten ist im Moment schwierig, denn die Kunden müssen ja Mundschutz tragen. Aber man kann auch mal eine Kostprobe mitgeben. Bei der Genossenschaft gibt es zum Beispiel kleine Becher, die sich für Frischkäseproben eignen würden.

Worauf muss ich achten, wenn ich erst ein Käsesortiment aufbauen will?
Man sollte sich Zeit nehmen und mit wenigen Sorten anfangen, damit die Mitarbeiter die Chance haben, sich ein bisschen einzuarbeiten. Und dann sollte man schauen, was bei den Kunden ankommt, und in dieser Richtung weitermachen. Man kann auch mal nachfragen, was die Kunden mögen in Sachen Käse, was sie gerne mal in der Theke finden würden. 

Wie viele Käsesorten führen Sie in Ihrem eigenen Fleischer-Fachgeschäft?
Wir bieten in unserer Landwohl-Fleischerei in Bad Lauterburg im Harz rund 70 Sorten Käse an. Wir haben uns dazu Schauvitrinen wie beim Konditor installiert und präsentieren den Käse in zwei Vitrinen mit je drei Etagen. Wir führen viele Bergkäse, insbesondere Schweizer Spezialitäten. Bei Weichkäse bieten wir viele Rohmilchsorten an, wie etwa Brie de Meaux oder Epoisses.

Geben Sie unseren Lesern noch ein paar Tipps?
Das mache ich gerne. Wer Käse anbietet, sollte sich nicht auf das Standardsortiment beschränken, sondern sich an (regionale) Spezialitäten herantrauen. Und er muss wissen, was er verkauft, nur dann kann er die Kunden beraten. Bergkäse sind für den Anfang im Handling einfacher als Weichkäse. Und mit einem würzigen Bergkäse kann man ja auch mal einen neuen Wurstsalat kreieren und so als Spezialität hervorheben.

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