In Ruhe bestellen, entspannt genießen

Im Zeitalter des Homeoffice sind neue Verkaufskonzepte gefragt. Ob per Telefon und Lieferdienst oder per App: Kundenservice kommt an

Während der Corona-Beschränkungen hat nicht nur das Kochen zu Hause, sondern auch das Schlangestehen vor dem Lebensmittelgeschäft oder der Fleischerei über Wochen den Alltag der Verbraucher geprägt. Neue Verkaufskonzepte waren da gefragt. So haben viele Fleischer-Fachgeschäfte ihren Kunden während dieser Zeit zum Beispiel einen Lieferdienst angeboten. Der Servicegedanke kam an, wie viele Unternehmer berichten. Manche Betriebe konnten –und können – auch mit innovativen Konzepten punkten, die über den üblichen Lieferservice hinausgehen, und so zeigen, wie das Fleischerhandwerk neuen Ansprüche gerecht werden kann.
Einen Blick in die Zukunft erlaubt zum Beispiel die Drohne, die das per Internet bestellte Dry-Aged-Steak direkt neben dem Grill im Garten des Verbrauchers absetzt. Machbar ist das allemal, wie die Fleischerei Erich Rothe in Lüneburg zeigt. Was heute noch als Marketing-Gag dient, kann morgen schon alltagstauglich sein. Bestellt wird hier bisher noch telefonisch, „ausgeflogen“ am nächsten Tag.

Die Möglichkeit, Lebensmittel oder Speisen online zu bestellen, nehmen immer mehr Menschen wahr. Das Fleischerhandwerk kann mit entsprechenden Angeboten nur gewinnen.

Per App bestellen

Wer als Kunde für den Einkauf von Fleisch und Wurst nicht vor der Theke warten will, der ist mit dem Bestellprinzip der Fleischerei „Meat & Love – der Fleischsommelier“ an der richtigen Adresse. Die Fleischermeister Philipp Neumann und Mandy Hubrich sind Inhaber der Betzdorfer Fleischerei und bieten ihren Kunden neue Wege, auf unkomplizierte Weise Fleisch aus nachhaltiger Produktion einzukaufen. Aus Erfahrungen mit den Stoßzeiten besonders am Wochenende oder im Vorfeld von Feiertagen entwickelten sie die Idee, ihre Kunden die Auswahl über das Internet auf der Webseite treffen zu lassen und die Bestellung dann via Smartphone zu übermitteln. „Zuvor klingelte das Telefon andauernd, und mancher Kunde musste sich wegen überlasteter Leitungen mit Wartezeiten abfinden“, erläutert Mandy Hubrich.

© Stefanie Brueckner

Bestellen und abholen

Als Lösung bieten die beiden eine auf einem Baukastensystem basierende, selbstentwickelte App, die sich die Kunden auf ihrem Smartphone installieren können. Die hierüber eingegebenen Aufträge landen automatisch auf dem Bildschirm im Büro der Fleischerei. Nebenbei erhält jeder Kunde, der dies wünscht, auch den aktuellen Speiseplan für die Mittagsgerichte per Push-Nachricht auf sein Display.
Abgerundet werden die Funktionen der App etwa durch den Zugriff auf eine Rezeptdatenbank und durch den Menüpunkt „Beef Wissen“: Informationen und Hintergründe zur Aufzucht und Erzeugung der angebotenen Fleischarten sowie den aktuellen grill- und pfannengerechten Zuschnitten (mehr dazu online, siehe QR-Code unten). Grenzen setzen derzeit nur das Volumen und die Art der Ware. Kunden, die eine größere Feier ausrichten möchten, haben immer noch die Option, per Telefon Kontakt aufzunehmen und persönliche Beratung im echten Dialog zu erhalten.
Mehr als tausend regelmäßige Nutzer der App innerhalb von vier Monaten sprechen ganz klar für sich. Kunden, die es unkompliziert und schnell haben möchten, bieten einige Metzgereien auch an, ihre vorbestellte Ware zu einem ausgemachten oder fixen Zeitpunkt in gekühlten Taschen vorzufinden. Sie brauchen nur noch zuzugreifen und können dann nach dem kontaktlosen Bezahlen innerhalb kürzester Zeit wieder auf dem Weg nach Hause sein. Selbst den Blick auf die Ladenöffnungszeiten können sich Verbraucher bei so mancher Metzgerei durch die moderne Technik sparen.

Am Verkaufsautomaten versorgen sie sich immer dann mit Nachschub, wenn sie diesen spontan benötigen. So gilt es bei Jugendlichen etwa als cool, im Automaten zu später Stunde noch ein alkoholfreies Kaltgetränk und eine Packung Wurst zu kaufen und dies per sozialem Netzwerk zu verbreiten.
Auch Grillfans sind begeistert, wenn sie selbst am späten Abend noch „Material“ für den heißen Rost kaufen können.

Mit Code aus der Abholbox

Eine besonders praktische Variante des Einkaufs außerhalb der Öffnungszeiten bietet die Metzgerei Egeler im Ammertal. Bestellungen, die Kunden während der Ladenöffnungszeiten telefonisch oder per E-Mail übermitteln, können einer gekühlten Abholbox entnommen werden. Ist das Geschäft geschlossen, gibt der Kunde eine sechsstelligen Pincode ein, den er zuvor erhalten hat, und die Tür der Box öffnet sich. Bezahlt wird mit EC-Karte.

Einkaufen mit künstlicher Intelligenz

Der tägliche Einkauf findet längst nicht mehr allein an der Ladentheke statt. Wer Hunger hat, muss nicht mehr unbedingt das Haus verlassen. Die telefonische Bestellung einer Pizza und deren zeitnahe Lieferung sind nichts Außergewöhnliches mehr. Mit dem intelligenten Smartphone kommt nun auch der vernetzte Haushalt, personifiziert in der Stimme von Siri oder Alexa. Vorausgesetzt natürlich, der Verbraucher möchte zahlreiche Details zu seinem Konsumverhalten preisgeben. Wenn er dazu bereit ist, lassen sich nicht nur das Klima und die Kaffeemaschine bedarfsgemäß steuern, auch das Einkaufen kann zum Vergnügen werden – und gesundheitsrelevante Einschränkungen spielen dann schon gar keine Rolle mehr.

Als der erste Kühlschrank mit integriertem Warenwirtschaftssystem vorgestellt wurde, war der dazu notwendige Rechner ein Gebilde von annähernd demselben Format. Mit dem Ausbau des Internet und der immer kleiner werdenden Hardware-Peripherie ist diese Entwicklungsstufe bereits ein Kapitel der jüngeren Industriegeschichte. Die Praxistauglichkeit der Software und die – bei ausreichender Kapazität – immer schnelleren Rechner ermöglichen eine alltagstaugliche Vernetzung. „Wir leben im Zeitalter der künstlichen Intelligenz“, ist Fleischermeister Philipp Neumann aus Betzdorf überzeugt. Er hat es sich auf die Fahne geschrieben, diese Technologie für den optimalen Verkauf von hochwertigen Fleischwaren zu nutzen.

Die ersten Schritte hat er bereits gemacht. Schon bei der Gründung der Fleischerei in Betzdorf – gemeinsam mit Fleischermeisterin Mandy Hubrich – standen die optimale Kundennähe und die bestmögliche Beratung im Mittelpunkt. Um dies noch einfacher zu machen, brachten die beiden eine App an den Start, mit der sich nicht nur auf einfachem Weg Ware bestellen, sondern fast die gesamte relevante Information für die perfekte Mahlzeit vermitteln lässt. Innerhalb von vier Monaten gelang es, mehr als 1.300 regelmäßige Nutzer als Stammkunden zu gewinnen. „Unsere Zielgruppe sind Kunden im Alter von 25 Jahren und darüber“, erläutern die ehrgeizigen Gründer.

Der nächste Schritt soll jedoch nicht zum Kühlschrank führen, der selbstständig den Lebensmittelbedarf ermittelt und autark eine Bestellung auslöst. „Es geht uns um den Einsatz von künstlicher Intelligenz bei der Vermittlung von Warenkunde.“ Wer sich ein Stück Fleisch – ob vor Ort oder online – aussucht, bekommt neben dem appetitlichen Aussehen, dem Gewicht und dem Preis auch noch zusätzliches Wissen angezeigt – per Mausklick oder per Fingerzeig auf die Ware. Daher wird nun jeder Fleischzuschnitt von mehreren Seiten fotografiert und die Ansichten zusammen mit den relevanten Informationen von der Herkunft bis zur optimalen Zubereitungsdauer verknüpft.

Dem virtuellen Schlaraffenland, abgerundet durch kompetente Fachberatung, steht dann nichts mehr im Wege.

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