So gelingt die Suche nach Nachwuchs

Auszubildende zu finden, ist eine Herausforderung. Doch wer bereit ist, neue Wege zu beschreiten, hat Erfolg. Dies beweisen die Preisträger des „Fit für Azubis“-Wettbewerbs der Gilde Stiftung.

Wakka Bass ist 21 Jahre alt, spricht kein Deutsch und Analphabet, als Tobias Metzler ihn 2016 als Hilfsarbeiter in seiner Metzgerei im oberschwäbischen Altshausen einstellt. Doch der Metzgermeister merkt schnell: Der junge Mann aus Gambia ist praktisch veranlagt, engagiert, packt zu und möchte sich in Deutschland integrieren. Metzler bietet ihm eine Ausbildungsstelle zum Fleischer an und weiß: Das wird vor allem in puncto schulische Bildung eine Mammutaufgabe. „Bis zum Ende der Ausbildung waren wir nicht sicher, ob er die schriftliche Prüfung besteht.“ Aber durch Fleiß, ehrenamtliche Hilfe im Umfeld sowie einem hilfsbereiten Kollegenteam ist Wakka erfolgreich. Auch aktuell beschäftigt der Familienbetrieb wieder einen Auszubildenden, der durch seine Defizite in der Auffassungsgabe gehandicapt ist und besondere Aufmerksamkeit benötigt.
„Ausbildungsverhältnisse, die auf den ersten Blick schwierig erscheinen, motivieren uns noch mehr“, sagt Metzler. Das könne zwar auch mal schiefgehen, aber deshalb dürfe man nicht immer gleich aufgeben. Sein Tipp: „Wir messen die jungen Leute an ihren Stärken und nicht an ihren Schwächen. Und so setzen wir sie später bei uns ein.“ Wenn das zum Erfolg führe, habe man durch das gewonnene Vertrauen in der Regel langfristig treue Mitarbeiter gewonnen. Ein weiterer Pluspunkt, weshalb sich ein Einsatz wie bei Wakka lohne, sei das gestärkte Betriebsklima. Es schweiße zusammen, wenn alle an einem Strang zögen.

Klar, dass beim Wettbewerb „Fit für Azubis“ der Gilde Stiftung des Fleischerhandwerks e. V. diese Nachwuchsförderung gut ankam und 2.000 Euro Preisgeld erhielt. Damit möchte Metzler alle Mitarbeiter für ihre Teamleistung belohnen und plant einen Betriebsausflug. Neben dem besonderen Einsatz in Sachen Integration und Inklusion würdigte die Jury, den Azubis finanzielle Anreize zu bieten – wie etwa Tankgutscheine oder eine betriebliche Alters- und Gesundheitsvorsorge. Das Fleischerhandwerk als tollen Beruf zu präsentieren, ist auch das Anliegen von Uwe Uhlmann. Deshalb initiierte der Geschäftsführer der Fleischerinnung Nordost-Mittelsachen auf der Leipziger Messe „Iss gut“ einen Wettbewerb, bei dem Schüler der Mittelstufe ihr handwerkliches Geschick testen.

Die beiden Metzgermeister Albert Metzler (2.v.r.) und Tobias Metzler (2.v.l.) sehen in gehandicapten Auszubildenden eine Chance. Das hohe Engagement zahlt sich aus, denn die jungen Menschen bleiben im Betrieb.

Früh an den Nachwuchs ran

Beim „Schülercup“ treten kleine Teams von zwei, drei Schülern gegeneinander an. Ihre Aufgabe: Aus einem vorgegebenen Pool mit verschiedenen Waren und Zutaten kreative Snacks herzustellen. Profis unterstützen die Teilnehmer und beantworten nebenbei alle Fragen rund um den Fleischerberuf. „Anfangs bin ich mit meiner Idee durch die Schulen in Leipzig getingelt und rührte die Werbetrommel“, so Uhlmann. Die Rückmeldungen waren überschaubar. Doch überzeugt von seinem Projekt gab er nicht auf und hakte nach, bis sich am Ende acht Schulen mit je zehn Teams gegenüberstanden. Und die berichteten, begeistert von dem Event, zuhause, im Netz und bei den Klassenkameraden. Immerhin sechs Praktika kamen so nach dem ersten Wettbewerb zustande.
Das Konzept war so erfolgreich, dass die Fleischerinnung es nun auf ganz Sachsen ausweitet. Uhlmann sieht das als eine lang fristige Investition in den Nachwuchs: „Uns ist klar, dass die Teilnehmer jetzt nicht scharenweise gleich eine Ausbildung bei uns beginnen. Aber es ist wichtig, dass sie Spaß haben und mit guten Erlebnissen von diesem Tag nach Hause gehen und davon erzählen.“ Ein gelungenes Konzept, um jungen Leuten das Fleischerhandwerk näherzubringen, fand die Gilde Stiftung und machte die Innung zum „Fit für Azubis“-Preisträger. Gute Ausbildung überzeugt und Mund zu-Mund-Propaganda bringt Nachwuchs ins Team, ist sich auch Matthias Molitor sicher.

Der Metzgermeister aus dem Bergischen Land engagiert sich gern bei Projekten, die sein Handwerk dem Nachwuchs näherbringen. Dem weiteren „Fit für Azubis“-Preisträger ist wichtig, die Menschen bei ihrer Arbeit mitzunehmen: „Man kann den Jugendlichen nichts aufzwingen. Aber wir wollen ihnen, bezogen auf unseren Beruf, eine positive Message mitgeben.“ Sein Betrieb beginnt schon bei den Kleinsten, Hemmungen und Vorurteile gegenüber dem Metzgerhandwerk gar nicht erst entstehen zu lassen. Immer wieder lädt der Juniorchef Kindergartengruppen in den Betrieb ein, zeigt ihnen, wie die Wurst entsteht und will so deren Interesse für den Beruf wecken.

Film ab in der Wurstküche: Die Kreishandwerkerschaft Bergisches Land ließ ein Video aufnehmen, das Einblicke in die handwerkliche Produktion von Wurst- und Fleischwaren gibt.

Die schwäbische Metzgerei Nothwang lässt auf Ausbildungsmessen ihren eigenen Nachwuchs für sich werben. Auch deshalb gibt es viele Anfragen nach Praktika. Wie das genau funktioniert, lesen Sie online.

Ab in die sozialen Medien

Um die Wurst ging es auch beim Filmprojekt (https://bit.ly/3HbzAFI) der Kreishandwerkerschaft, für das Molitor einem jungen Filmteam Einblicke in seine Produktion gewährte. Unterhaltsam liefern sich zwei Jungreporter einen Wettkampf beim Wurstabdrehen und geben einen Einblick in den Arbeitsalltag einer Metzgerei. Der Clip lief in gleich mehreren sozialen Medien – und überzeugte ebenso die Jury des Wettbewerbs.

Flagge zeigen auf Ausbildungsmessen:
Warum sich eine Präsenz in bare Münze auszahlt

Berufsfachmessen und Schulveranstaltungen haben die Ausbilder der Firma Nothwang fest in ihre Terminkalender notiert. Denn hier gilt es, die Werbetrommel für eine Ausbildung in der schwäbischen Fleischerei zu rühren. In vier der insgesamt acht rund um Heilbronn gelegenen Filialen bildet der Betrieb neben Berufen des Fleischerhandwerks auch Fachverkäufer, Fachkräfte für Lebensmitteltechnik und sogar im dualen Studium Foodmanager aus.

Setcards mit QR-Code

Bei ihren Auftritten auf Berufsinfo-Messen werden die Azubis von Anfang angeleitet, am Stand selbst eine aktive Rolle zu übernehmen. Denn nur so ist sichergestellt, dass Schüler deren Berufe möglichst authentisch präsentiert bekommen – Akquise auf Augenhöhe eben. Für die Eigenvermarktung hat Nothwang sogenannte Setcards gestaltet, die am Messestand reichlich ausliegen. „Food Lover gesucht“ heißt es da beispielsweise und „Gestalte mit uns die Zukunft der Food-Branche“. In einer lockeren Sprache, die die Altersgenossen verstehen, vermitteln sie so ansprechend die Inhalte der jeweiligen Ausbildungsberufe und die Vorteile des eigenen Ausbildungsbetriebs. Das weckt Interesse!

Mit dem Smartphone per QR-Code gelangen die interessierten Jugendlichen von der Karte schnell auf die Firmenwebsite. „Wir haben viele Praktikumsanfragen“, berichtet Mareike Mayer. Sie leitet bei Nothwang die Ausbildung und ist für die Personalentwicklung zuständig. Regelmäßige Feedbackgespräche während der Ausbildung sind für sie selbstverständlich – ebenso wie Ausbildungsevents und Coachings, mit denen sie und ihr Team den Nachwuchs gezielt auf die Inhalte bei den Zwischen- und Abschlussprüfungen vorbereitet.

Ausbildung als Team-Event

„Wir bekommen hier eine sehr gute Unterstützung und Hilfe beim Lernen“, lobt Fleischer-Azubi Yasin. „Rinderhinterviertel zerlegen, die Zubereitung küchenfertiger Spezialitäten oder Spieße mit Garnitur herstellen – all das üben wir. Unsere Mitarbeiter dürfen anschließend verkosten und bewerten. Das spornt an!“, berichtet die Ausbildungsleiterin und sagt: „Wir sind offen für den Input der jungen Leute“. Dazu locken Extraleistungen wie die Kostenübernahme des Führerscheins oder Tickets für den Öffentlichen Nahverkehr. Aufrechnen dürfe man das alles aber nicht. „Wir bilden aus, dass die Menschen bei uns bleiben“, so Mayer. Der Erfolg gebe ihnen recht.

Als anerkannter „Top-Ausbildungsbetrieb“ der Handwerkskammer Heilbronn-Franken überzeugte dieses ausgefeilte Ausbildungskonzept mitsamt engagierter Nachwuchswerbung die Jury des „Fit für Azubis“-Wettbewerbs der Gilde Stiftung.

Sabine Baur

Bildnachweis: Unternehmen

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