Ob Homepage, Facebook oder Bestellen per App: Wer im Netz aktiv ist, kann mehr verkaufen und Kunden binden. Welche Chancen digitale Kanäle für Metzgereien bieten.

Wenn Fernsehköche sich an Flank Steaks austoben oder Feinschmecker-Magazine japanisches Wagyu-Rind rühmen, läuft bei Clickandgrill.de der Bestelleingang heiß. Der Online-Shop von Daniel Lindner, Juniorchef einer Landmetzgerei aus dem nordbayerischen Zochenreuth, verkauft Gourmetfleisch und Grillwürste, aber auch Aufschnitt und fränkisches Bier im Partyfass übers Internet an Kunden in ganz Deutschland. Mit der digitalen Vermarktung hat die Metzgerei ein Problem gelöst: Im Heimatdorf ist der Betrieb seit Langem für Spezialitäten wie Dry Aged Beef vom Simmentaler Rind oder Wagyu-Fleisch bekannt. Doch wie viel Edelfleisch lässt sich an 150 Einwohner verkaufen? „Mir war klar, dass wir einen Weg finden müssen, um mehr Gourmetkunden zu erreichen“, sagt Lindner. Per Online-Fleischversand lassen sich die Spezialitäten heute mit ein paar Klicks so einfach bestellen wie ein Buch bei Amazon. Erst nach Bestelleingang wird das Fleisch zugeschnitten und luftdicht verschweißt oder vakuumiert. Spätestens nach zwei Tagen ist es beim Kunden: verpackt in einer Styroporbox mit Einweg-Kühlakku, was durchgängige Kühlung garantiert. Lindners Kalkül ist aufgegangen: Durch die Online-Vermarktung kennen Grillfreunde und Gourmets die Metzgerei inzwischen weit über Oberfranken hinaus.

Onlinehandel wächst

Wer heute „Grillfleisch“ oder „Dry Aged Beef“ bei Suchmaschinen wie Google eingibt, findet ganz oben auf der Ergebnisliste eine Handvoll Metzgereien wie die von Daniel Lindner, die handwerkliche Spezialitäten im eigenen Online-Shop vermarkten – von besonderen Zuschnitten über bestimmte Tierrassen oder Bio-Qualität bis hin zu Wurstgeschenken (wurstgeschwister.de) oder per „Maultaschen-Generator“ individualisierte Maultaschen (stuggi.de). Sie besetzen eine Marktlücke, die viele Handwerksbetriebe, aber auch die großen Player im Lebensmittelhandel bislang vernachlässigt haben: Die wachsende Bereitschaft zu Online-Käufen. Laut den Martkforschern von Mintel kaufen 93 Prozent der Deutschen im Netz ein. Lebensmittel bestellen derzeit zwar nur rund sechs Prozent online, doch der Anteil werde sich wohl künftig deutlich erhöhen: „Lebensmittel könnten in den nächsten Jahren sogar zu einer der führenden Kategorien im deutschen Onlinehandel werden”, sagt Thomas Slide, Einzelhandel-Analyst bei Mintel. Dazu kommt: Immer mehr Deutsche verlagern Alltagsaktivitäten ins Netz. Vor allem das Smartphone wird zur Verbindung zwischen realer und virtueller Welt: Nicht nur mit Freunden chatten, sondern auch Online-Banking oder die Tagesangebote vom nächstgelegenen Metzger abrufen, das alles erledigen viele Menschen heute übers Handy.

Für Fleischer bietet der digitale Wandel viele Möglichkeiten. Wichtig ist, die für einen selbst und die Bedürfnisse der Kunden richtigen Kanäle auszusuchen und diese dann konsequent und regelmäßig zu pflegen. Welches Medium am besten passt, hängt auch davon ab, wie viel Zeit ein Chef oder Mitarbeiter aufwenden kann und was am meisten Spaß macht. Der eine schreibt vielleicht lieber ein Blog wie Metzgermeister Ludger Freese (blog.fleischerei-freese.de), während andere sich in Videos präsentieren wie die Metzgerei Lindauer (metzgerei-lindauer.de), auf Facebook posten (zum Beispiel die Metzgerei Bechtel aus Zella) oder appetitanregende Fotos für „fleischeslustige“ Follower auf Instagram hochladen.

Aktivitäten im Netz

Doch womit anfangen? Einfach ausprobieren, empfehlen Experten wie der seit vielen Jahren im Netz aktive „Internetmetzger“ Claus Böbel aus dem fränkischen Rittersbach (umdiewurst.de). Böbel selbst hat die sozialen Netzwerke Twitter und Facebook ein Jahr lang ausprobiert. „Danach habe ich Twitter beendet und Facebook ausgebaut, weil mir das viel mehr bringt. Man ist im Gespräch und erreicht wesentlich mehr Leute deutschlandweit.“ Den Erfolg sieht Böbel auch in seinen Zahlen: Etwa 40 Prozent seines Umsatzes stammen direkt aus dem Onlinegeschäft, mit indirekten Effekten sind es bis zu zwei Drittel. Egal wofür man sich entscheidet, wichtig ist, überhaupt im Netz gefunden zu werden. Das ermöglicht zum Beispiel eine eigene Homepage, die aktuelle Angebote, die Wochenkarte vom Mittagstisch, kleine Geschichten über (neue) Mitarbeiter oder Wissenswertes aus der Produktion präsentiert. So zeigt etwa die Metzgerei Ludwig (der-ludwig.de) auf ihrer Seite nicht nur Angebote aus dem stationäre Geschäft und dem Online-Shop, sondern präsentiert auch die im Nebengebäude untergebrachte gläserne „Fleischerlebniszentrale“ – ein Showroom mit Dry-Age-Reifung und Platz für Fleischseminare – sowie Wissenswertes über Wurst und Fleisch. Gleichzeitig wird mit „coolen“ Fotos und Videos um Mitarbeiter und Azubis geworben. 

Regelmäßig und aktuell

Wer vor dem Aufwand einer eigenen Webseite zurückschreckt, kann sich auch auf verschiedenen Portalen kostenlos oder kostenpflichtig eintragen lassen (etwa Google, kennstdueinen.de, yelp.de oder das neue, branchenspezifische Register find-a-butcher.com). Auch ein Profil in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Google Plus ist mit wenig Aufwand erstellt, sollte aber unbedingt aktuell gehalten werden. Regelmäßige Interaktion ist Pflicht, lässt sich aber schon mit wenig Mühe erreichen: Ein Bild, die Speisekarte oder ein Link sind schnell gepostet und machen immer wieder auf den Betrieb aufmerksam.

Ein weiterer Vorteil der Profile auf Portalen, bei Google oder Facebook: Kunden können Betriebe hier bewerten. Was für „Netzneulinge“ im ersten Moment oft befremdlich klingt, ist die „digitale“ Währung, mit der im Internet Vertrauen entsteht. Genauso wie die im Offline-Geschäft wichtige Mundpropaganda empfehlen zufriedene Online-Käufer gerne weiter, was gerade bei der Akquise von Neukunden – oder auch der Suche nach Personal – den entscheidenden Impuls geben kann.  

Vielseitiges Smartphone

Eine erfolgreiche Digitalstrategie sollte aber auch das Smartphone einbeziehen. Viele Verbraucher nutzen inzwischen ganz selbstverständlich Apps im Alltag. Hier können branchenspezifische Anwendungen das Einkaufen für beide Seiten erleichtern: Etwa indem Kunden per App vorbestellen und bezahlen. Auch der 24-Stunden-Verkaufsautomat neben der Metzgerei kann vom Betreiber per Smartphone kontrolliert werden. Wer sich so vernetzt, kann sein Personal zu Stoßzeiten entlasten oder das Angebot auch außerhalb der Öffnungszeiten verfügbar machen. Außerdem bieten sich viele neue Möglichkeiten für Werbung und Kundenbindung.

Doch müssen sich Handwerksbetriebe eigentlich um jeden Preis digitalisieren? Natürlich nicht, schließlich stehen gerade sie für die traditionelle Produktion von Lebensmitteln und den persönlichen Kontakt zum Kunden. Trotzdem sollten Digital-Skeptiker ab und zu mal einen Blick ins Netz werfen, um sich vielleicht die eine oder andere Idee abzuschauen: Dort finden sich nämlich viele Beispiele von Kollegen (zum Beispiel kumpelundkeule.de oder jackmatusek.com), die als „Kultmetzger“ die alte Handwerkskunst erfolgreich zelebrieren und vermarkten – offline wie online.

 

Info

Tipps für die eigene Webseite

  • Auf einen Blick: Wer sind Sie? Was bieten Sie? Warum sollten Kunden bei Ihnen kaufen? Diese Informationen sollte die Startseite kurz und übersichtlich darstellen. Verzichten Sie dabei unbedingt auf „Intros“ und ähnliche Spielereien, viele Nutzer klicken hier genervt weg.
  • Kontaktangaben: Wie kann man Sie am einfachsten erreichen? Verstecken Sie sich nicht hinter Kontaktformularen, die Angabe von Telefon, E-Mail oder WhatsApp gehört gut sichtbar ins Seitenmenü. Jedoch nur, wenn Sie auf den angegebenen Wegen auch erreichbar sind und zeitnah antworten können.
  • Aktuelle Inhalte: Halten Sie Ihre Seite aktuell, etwa mit Informationen zum Wochenangebot, mit neuen Fotos oder Videos. Das verbessert auch Ihr Ranking in Suchmaschinen – zusätzlich zur Wahl der richtigen Such- und Schlagworte (Suchmaschinenoptimierung).

 

Wurst to go

  • Apps: Apps sind kleine Programme auf Smartphones oder Tablets. Sie ermöglichen und erleichtern das Surfen im Netz und den Zugang zu Diensten von Website-Anbietern (etwa online einkaufen und bezahlen, Online-Banking, soziale Netzwerke u. v. m.).
  • Zum Beispiel: App & Eat (appandeat.de) – die App eines Düsseldorfer Start-ups ermöglicht Kunden von Bäckereien und Metzgereien, übers Smartphone einzukaufen und zu bezahlen. Der Brötchenbelag oder das Grillpaket lassen sich individuell konfigurieren und die Ware muss nur noch in der Filiale abgeholt werden.
  • Vorteile: Kunden können bequem und ohne langes Warten einkaufen. Betriebe erreichen neue Zielgruppen und können ihre Durchschnittsbons durch individualisierbare Produkte erhöhen. Datenauswertungen der App ermöglichen die Analyse von Kundenbedürfnissen.

Dieser Artikel ist erschienen im Gilde Magazin Ausgabe 03/2017 (Erscheinungstermin 02.11.2017)
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