Das Lebenswerk in guten Händen
Wenn der Ruhestand bevorsteht, fragen sich altgediente Fleischermeister oft, wie es mit dem Geschäft weitergehen soll. Guter Rat ist teuer, wenn kein Nachfolger in Sicht ist. Doch mit einer langfristigen Planung kann die Firmenübergabe gelingen.
Gebhard Buck ist 61 Jahre alt und noch immer Geschäftsführer einer mittelständischen Fleischerei im niedersächsischen Schiffdorf-Spaden. Längst führt er die Heino Mühlenbeck Fleischwaren GmbH mit den rund 50 Mitarbeitern jedoch nicht mehr allein. Seine Tochter Stephanie und Schwiegersohn Jan-Peter Mehring sind ebenfalls in der Geschäftsführung. Die Übergabe des Unternehmens an die nächste Generation ist vorbereitet. Vor zwei Jahren übernahm die Tochter mehr Verantwortung, hält seitdem wie ihr Vater auch fünfzig Prozent der Gesellschafteranteile. Jan-Peter hat Einzelprokura.
Investitionen und Visionen
Buck ist ein Unternehmertyp, der loslassen kann, aber auch immer noch Visionen hat, wie es einmal mit dem Unternehmen weitergehen soll. Deshalb hat er frühzeitig Gespräche mit seinen beiden Töchtern geführt. Als sich abzeichnete, dass die Firma in Familienhand bleiben kann und eine Tochter übernehmen möchte, hat er weiterhin investiert und Zukunftsvisionen für den Standort entwickelt. Das machte die Firmenübernahme attraktiv für die nachfolgende Generation, die genügend Potenziale sah, um den Betrieb mit rund fünf Millionen Euro Umsatz pro Jahr fortzuführen. Längst tragen die Mehrings alle Entscheidungen mit. Erst im vergangenen Jahr wurde ein Feinkostgeschäft mit einer attraktiven Geflügelwurst-Marke übernommen, in diesem Jahr wird ein neues Ladengeschäft eröffnet und damit ein großer Traum des Seniorchefs wahr. Für Buck sind Visionen notwendig, um „das Geschäft am Laufen zu halten“, wie er sagt. Es müsse weitergehen. Investitionen sicherten letztlich auch die Rentabilität eines Unternehmens und die Arbeitsplätze langjähriger Mitarbeiter.
Doch nicht überall läuft die Übergabe derart reibungslos ab wie bei den Familien Buck und Mehring. Nicht jeder Unternehmertyp stellt rechtzeitig die Weichen für seine Nachfolger und investiert dabei noch in den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit. Vor allem Inhaber, die keinen Nachfolger innerhalb der eigenen Familien finden können, tun sich meist schwer. Viele sind gezwungen, ihr Unternehmen aufzugeben, wenn sie extern keinen Käufer finden.
Die „Übernahmewelle“ rollt
Nach Schätzungen des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn müssen in den kommenden fünf Jahren rund 190.000 Unternehmen in Deutschland ihre Nachfolge aufgrund von Alter, Krankheit oder Tod regeln. Fast die Hälfte der Übernahmen werden im Bereich der unternehmensnahen Dienstleistungen stattfinden und über ein Viertel im produzierenden Gewerbe. Insgesamt erwarten die Wissenschaftler des IfM, dass vor allem wirtschaftlich erfolgreiche Unternehmen eine Nachfolgelösung finden werden. Allerdings erleichtere die Corona-Pandemie derzeit nicht gerade die Verhandlungsbasis der Alteigentümer, berichtet Studienleiterin Nadine Schlömer-Laufen über die Ergebnisse der Studie „Unternehmensnachfolge in Deutschland 2022 bis 2026“. Sie müssten unter Umständen niedrigere Kaufpreise akzeptieren.
Börsen bringen Generationen zusammen
Zu all dem Pandemie-Übel zeichnet sich der Trend ab, dass Familiennachfolgen in kleineren und mittelständischen Unternehmen immer seltener werden. Laut dem Nachfolge-Monitoring Mittelstand 2020 des volkswirtschaftlichen Kompetenzzentrums der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) sei dieser Trend auf die demografische Entwicklung zurückzuführen. Zum einen habe die scheidende Unternehmergeneration historisch wenige Kinder. Zum anderen seien Bildungs- und Berufswege zunehmend durch individuelle Interessen bestimmt und verliefen häufiger außerhalb des elterlichen Unternehmens. Doch das Nachfolge-Monitoring analysierte auch, dass Mittelständler immer besser vorbereitet – und damit auch besser für unvorhersehbare Krisen gerüstet sind. Die zunehmende Sensibilisierung für das Thema dürfte ein Grund dafür sein. Zahlreiche Beratungsangebote wie etwa die der Industrie- und Handelskammern oder Plattformen wie die bundesweite Unternehmensnachfolgebörse www.nexxt-change.de,die Unternehmensinhaber mit Existenzgründern zusammenbringt, tragen Früchte. Eine Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, der KfW, des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken und des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands hatte diese bereits 2006 gegründet und damit gegen den Trend gesteuert.
Auch für den niedersächsischen Metzger Buck wäre diese Börse eine Alternative gewesen, wenn seine Tochter nicht hätte übernehmen wollen. Doch es kam anders. Innerhalb von nur sieben Monaten wurde die Firmenübergabe vertraglich abgewickelt. Ein Fachanwalt für Steuerrecht unterstützte die Familie bei der steuerlichen Bewertung und Abwicklung. Die langfristig aufgebauten Vermögenswerte konnten dem Unternehmen somit durch Schenkungsbeteiligungen erhalten bleiben. Neben der Übergabe wurde zudem der Nießbrauch für die Seniorchefs geregelt, die aus dem bereits vererbten Grundbesitz immer noch Einnahmen erzielen. Wichtig war zudem, die Abläufe des Übergangs gegenüber den Mitarbeitern offen zu kommunizieren und auch zu erläutern, wie die Schwerpunkte in der Unternehmensführung auf die derzeitige Geschäftsführung verteilt wurden.
Ein emotional aufgeladenes Thema
In den nächsten Jahren kann die Unternehmensnachfolge so geregelt über die Bühne gehen. „Ich verlasse meinen Schreibtisch, wenn ich nicht mehr gebraucht werde“, sagt Geschäftsführer Buck gelassen. Die solide Abwicklung seiner Nachfolge führt er auch auf den vertrauensvollen familiären Umgang zurück, in dem Gegebenheiten akzeptiert werden und die Beteiligten sich zurücknehmen können. Dieser Aspekt wird häufig unterschätzt, obwohl eine Nachfolgeregelung immer auch mit Emotionen einhergeht. Nicht jeder Unternehmer kann rechtzeitig loslassen und akzeptieren, dass bald die junge Generation die Geschicke seines Unternehmens lenkt. Hier können Branchenverbände, Unternehmensberater oder auch Industrie- und Handelskammern helfen. Die Handelskammer Hamburg etwa unterstützt Unternehmen bei der Übergabe sogar mit dem unentgeltlichen Beratungsangebot „Stabwechsel – Expertendialog zur Unternehmensnachfolge“ und organisiert fachliche Expertise zu allen Aspekten des anstehenden Nachfolge-Prozesses. Auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz empfiehlt externe Sachverständige zu Rate zu ziehen, die beispielsweise den Wert des Unternehmens feststellen können. Hilfreich könne zudem auch der Einsatz eines Beirates sein, der bei weit reichenden Entscheidungen zu Rate gezogen werden oder bei Konflikten als Schiedsstelle agieren könne. Außerdem könne der Einsatz eines Unternehmensbeirates über den Zeitpunkt der Übertragung hinaus sinnvoll sein, wenn sich der Alteigentümer weiterhin einen gewissen unternehmerischen Einfluss sichern wolle, der Geschäftsverlauf nach der Übergabe noch überwacht oder wesentliche Kompetenzen noch nicht vollständig auf den Nachfolger übertragen werden sollen, heißt es.
Eine Frage der Kreditwürdigkeit
Letztendlich sprechen zahlreiche Aspekte für eine frühzeitige Auseinandersetzung mit der Nachfolge. Nur mit ausreichend Zeit können die richtigen Entscheidungen getroffen oder notfalls nochmal korrigiert werden. Es braucht einen Plan, viele Informationen und kompetente Beratung, um das komplexe Thema zufriedenstellend und ohne böse Überraschungen abwickeln zu können. Eine frühzeitige Regelung der Nachfolge verbessert darüber hinaus das qualitative Rating des Unternehmens, das von den Banken für eine Kreditvergabe zugrunde gelegt wird. Dies habe Auswirkungen auf die Kapitalbeschaffung sowohl für den laufenden Betrieb als auch für die Übergabe, heißt es beim Bundesministerium dazu. Generell gilt ein Unternehmen als übernahmewürdig, wenn die zu erwartenden Gewinne höher sind als die zu erwartenden Einkünfte eines potenziellen Nachfolgers aus einer abhängigen Beschäftigung plus Erträge aus einer alternativen Kapitalanlage. Als übergabereif hingegen gilt ein Unternehmen, wenn dessen Eigentümergeschäftsführer sich innerhalb der nächsten fünf Jahre aus persönlichen Gründen aus der Geschäftsführung zurückziehen wird.
Silke Liebig-Braunholz