Im Fleischerhandwerk sind Gewürze ein Muss. Neue Wege zu gehen, aber auch. Wir geben Ihnen Denkanstöße, wie Sie sich von den Fleischtheken des Lebensmittelhandels abgrenzen können.

Ein Gewürzschrank ohne Paprika? Für die meisten im Fleischerhandwerk dürfte das unvorstellbar sein. „Paprika ist in der Metzgerei unter anderem so beliebt, weil es Lebensmitteln eine frische, rote Farbe verleiht. 60 Prozent des Gewürzes in Deutschland verwendet sogar die Industrie zum Färben“, berichtet Birgit Schmauß. Sie ist Gewürz-Sommelière aus Inzell im Chiemgau und führt in ihren Seminaren Gastronomen, Lebensmittelhandwerker und Hobbyköche an die Vielfalt der Gewürze heran.

Der Klassiker: Majoran

Neben Paprika darf ebenfalls Majoran in keiner Metzgerei fehlen. Yasmin Soldierer vom Fachverband der Gewürzindustrie nennt es das „Lieblingsgewürz für deutsche Hausmannskost“. Mit seinen Bitter- und Gerbstoffen macht es das Essen bekömmlich und harmoniert gut mit anderen Gewürzen – zum Beispiel Knoblauch, Pfeffer oder Petersilie.
Doch in manchen Fleischereien hört die Vielfalt der Gewürze damit bereits auf. Laut Marie-Luise Klausmeyer, beim Gewürzanbieter AVO zuständig für das Marketing, liegt das auch daran, dass das Metzgerhandwerk in Deutschland von traditionellen Fleisch- und Wurstspezialitäten geprägt sei. Für deren Herstellung benötige man nun einmal eine eher klassische Gewürzpalette. Dabei lasse die Vielfalt der möglichen Zutaten Metzgereien viel Spielraum, mit neuen Gewürzen oder kreativen Kombinationen immer neue Geschmackserlebnisse für die Kundschaft zu kreieren.

Insbesondere Nachwuchskräfte, die Laden- und Werbekonzepte ausgefallen denken, hätten Lust auf neue, außergewöhnliche Gewürze, beobachtet sie. Über die etablierten Standards hinaus gibt es eine Vielzahl an Gewürzen, die mit Fleisch harmonieren und in vielen Schränken auf ihren Einsatz warten: Wacholder bringt eine herb-harzige Note mit, Muskatnuss sorgt für leicht scharfe, süßliche Aromen. Bockshornkleesamen schmecken sehr aromatisch und würzig. „Bockshornklee erinnert an Liebstöckel und Sellerie. Es ist auch Hauptbestandteil in üblichen Currymischungen und bringt viel Würze in fleischlose Alternativen“, erklärt Gewürz-Sommelière Schmauß.

©AdobeStock/Subbotina Anna

Curry, Safran, Kurkuma, Zimt – Gewürze bieten eine unglaubliche Vielfalt, um die Kunden mit neuen Kreationen zu überraschen.

Der Vielfältige: Pfeffer

Aromatische Abwechslung in der Fleischereitheke können aber ebenso die Gewürzklassiker versprechen – wenn man nicht immer zu den gleichen Variationen greift. Birgit Schmauß empfiehlt etwa, die breite Palette des Pfeffers zu erkunden – und zu nutzen: „Pfeffer gibt es nicht nur in rot, schwarz oder weiß, sondern in mehr als 60 Variationen“, weiß die Expertin und nennt Beispiele: Tellicherry bringt ein Zitronenaroma mit, tasmanischer Bergpfeffer hat eine kräftige Schärfe, grüner Pfeffer passt mit seiner frischen, grasigen Note gut zu fetthaltigem Fleisch.“
Ähnlich bei der Muskatnuss: Wer das Aroma schätzt, aber es etwas leichter mag, kann zu Macis greifen, die Außenhülle der Muskatnuss. Sie gibt es ebenfalls als Gewürz, schmeckt aber nicht ganz so intensiv.

Eine weitere Möglichkeit, bewährte Gewürze neu zu entdecken, ist ihre Fermentation, also die Umwandlung durch Mikroorganismen oder Enzyme. Im Grunde lasse sich alles fermentieren, erklärt Marie-Luise Klausmeyer. Besonders spannend in der Metzgerei seien aber zum Beispiel fermentierter Knoblauch oder Pfeffer: „Diese behalten ihren fein-würzigen Geschmack, sind aber insgesamt deutlich milder.“ Mit etwas ungewöhnlicheren Würzungen lassen sich auch Klassiker wie die Bratwurst anders interpretieren. AVO schlägt etwa eine orientalische Bratwurst mit einer feinen Kreuzkümmelnote vor. Dies funktioniere im Übrigen auch prima bei vegetarischen Alternativen in der Theke, wie zum Beispiel Gemüse-, Grillkäse- oder Falafelspieße.

Das Trendige: Chili

Bei den Konsumenten besonders gefragt sei derzeit Chili, beobachtet Schmauß. „Es gibt zig verschiedene Sorten, die ganz unterschiedlich schmecken“, sagt sie. Dabei sei Chili ein wunderbares Singlegewürz, also eines, das einzeln einsetzbar sei und nicht unbedingt Partner brauche, um harmonisch zu schmecken. „Bei Chili muss man sich keine großartigen Gedanken machen, wie und ob es passt.“ Einzige Ausnahme: Entweder Chili oder Pfeffer, da sich die Schärfe potenziert.

©AdobeStock/pavel siamionov

Asia-Länderküche: Die mit Koriander verfeinerte Marinade aus Knoblauch, Ingwer und Teriyakisauce beweist Kompetenz und Kreativität.

Das Ungewohnte: Ingwer

Auch Klausmeyer beobachtet Trends im Gewürzbereich, zum Beispiel „asiatische Würzungen, die sich gut über Ölmarinaden und Würzsaucen transportieren lassen.“ Als Beispiel nennt sie eine japanische Sesamsauce oder koreanisches Barbecue, das würzig-scharfe Aromen mit frischen Zitrusnoten kombiniere. Beides passe besonders gut zu Rindfleisch, zum Beispiel als Filet oder Roastbeef. „Das ist im Vergleich zum inzwischen sehr weit verbreiteten American Barbecue wirklich etwas Neues, trendiges.
Die asiatischen Würzsaucen und Marinaden bestechen oftmals mit Ingwer als charakteristische Zutat, ergänzt zum Beispiel durch Sojasauce, Sesam oder Zitronengras.“ Mit einem solchen Angebot könnten die Theken der Handwerksmetzger tatsächlich neue Akzente setzen.
Als Faustregel rund um die Zubereitung empfiehlt die Warenkundeexpertin Schmauß, Gewürze grundsätzlich im Ganzen zu kaufen und immer frisch zu mahlen, denn Aromen würden im Laufe der Zeit schnell verfliegen. Und den Unterschied, versichert sie, schmecke man. Mehr Tipps verrät die Expertin übrigens in unserem Onlinebeitrag, den Sie über den QR-Code sofort abrufen können.

Fleisch würzen: Darauf kommt es an

Birgit Schmauß ist Gewürz-Sommelière aus Inzell im Chiemgau. In ihren Seminaren lernen die Teilnehmer aus Gastronomie und Handel alles über Gewürze. Im Interview verrät die Expertin, was man über das Zusammenspiel von Gewürzen und Fleisch wissen sollte.

 

Was ist bei der Verwendung von Gewürzen grundsätzlich zu beachten?

Gewürze sollte man immer im Ganzen kaufen. Das ist zum einen ein Qualitätsmerkmal, da man nur so sieht, in welchem Zustand sie tatsächlich sind. Bei ganzer Muskatnuss zum Beispiel ist nie die Schale mit dabei. Abgesehen davon: Wer Gewürze frisch mahlt, erzeugt später beim Verbraucher ein ganz anderes Geschmackserlebnis. Denn viele Aromen werden erst beim Mahlen freigesetzt.

 

Gibt es eine Faustregel, an der sich Metzger orientieren können, was die Kombination von Fleisch und Gewürzen betrifft?

Bei der Auswahl der Gewürze spielt der Fettgehalt der Produkte eine Rolle. Je schwerer das Fleisch, umso mehr sollte man auf frische, leichte Gewürze setzen. Tellicherry bringt zum Beispiel Zitronenaroma und eine balsamische Note mit. Grüner Pfeffer sorgt, vor allem in Kombination mit Petersilie, für ein frisches, grasiges Aromaprofil. Fettes Fleisch harmoniert gut mit Senfkörnern, etwa gemahlen in Saucen. Zudem kann man die Verdauung gezielt mit Gewürzen wie Kümmel unterstützen.

 

Wie lernen Metzger, Gewürze sinnvoll zu kombinieren?

In der Ausbildung lernt man leider nur, nach Rezept zu arbeiten. Wie das Zusammenspiel von Aromen tatsächlich funktioniert, ist dort kein Thema. Gewürze sind aber so komplex, es sind so viele verschiedene Inhaltsstoffe involviert, dass es schwierig ist, zu experimentieren. Man sollte sich schon damit auskennen. Da können Fachbücher helfen oder Kurse von Gewürz-Sommeliers, wie auch ich sie anbiete.

 

Haben Sie einen Würz-Geheimtipp?

Eine besondere Empfehlung für Steaks vom Grill ist tasmanischer Bergpfeffer. Er hat eine ganz andere Note als schwarzer Pfeffer, schmeckt leicht scharf, färbt rot und besitzt eine kleine Knusperkomponente. Das Steak sollte man erst kurz nach dem Grillen darin wenden. Insofern ist das ein Tipp für Metzger, tasmanischen Bergpfeffer gleich mit zu verkaufen.

 

Gibt es Möglichkeiten, mit denen sich deklarationspflichte Stoffe wie zum Beispiel Glutamat oder Senf ersetzen lassen?

Allergene wie Senf, Sellerie, Nüsse usw. sind nicht zu ersetzen, außer man möchte auf chemisch erzeugte Aromen zurückgreifen. Viele deklarationspflichtige Zusatzstoffe sind industriell gefertigt und daher, laut Gesetzgeber, zu Recht anzugeben.

 

Interview/Text: Emmelie Öden, Axel Stefan Sonntag

Linktipp: www.birgit-schmauss.de

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