Vom Tank- zum Genuss-Tourismus

Metzger Hans-Peter Habl aus Tarsdorf in Oberösterreich denkt regional und qualitätsbewusst. So gewinnt er auch viele deutsche Kunden für sich.

Regional verwurzelt, qualitätsbewusst und gleichermaßen authentisch wie pragmatisch: Das sind die Erfolgsfaktoren von Metzger Hans-Peter Habl aus Tarsdorf in Oberösterreich. Und mit denen gewinnt er auch viele deutsche Kunden für sich.

Montagmittag, kurz vor zwölf Uhr: Hans-Peter Habl steht vor seinem Geschäft im oberösterreichischen Tarsdorf und schnauft erst einmal tief durch: „Bei uns ist außer Leberkäse alles aus. An der Heißen Theke gibt es nichts mehr.“ Neun Kilometer weiter im zweiten Geschäft, in Hochburg-Ach, das gleiche Bild: Die Heiße Theke ist fast leer. Für die Verkäuferinnen ist das Stress, für Habl nicht. Ihm ist es lieber, wenn alles verkauft ist. Das gleiche Bild am Mittwoch, wenn er von neun Uhr an Hendl grillt oder am Freitag, wenn es Spareribs gibt. „Da kann es sein, dass schon um elf Uhr nichts mehr zu haben ist, obwohl der Grill noch voll ist. Das aber ist dann alles vorbestellt“, erklärt er. Konsequenterweise heißt es deshalb auf seiner Facebook-Seite: „Nur solange der Vorrat reicht.“

Das Hauptgeschäft im Zentrum der oberösterreichischen Gemeinde Tarsdorf, unweit der Grenze zur Bundesrepublik Deutschland.

Eigene Rezepturen überzeugen

Habl trifft mit seinem Angebot offensichtlich den Geschmack seiner Kunden. Egal ob Currywurst, Leberkäse in allen Variationen, Fleischpflanzerl (Frikadellen) oder Schnitzel, die sein Team noch in der Pfanne ausbackt: „Das geht alles sehr gut. Und der Leberkäse, das sagen meine Kunden, ist bei uns in der Region einer der besten. Mit meiner eigenen Rezeptur und speziell gemischten Gewürzen eine echte Gaumenfreude.“ Tatsächlich hat er auf seiner Webseite einige Kundenmeinungen veröffentlicht, darunter die von Muhamed Mehmedovic, dem Sportlichen Leiter des Fußballvereins Union St. Radegund. „Die Ripperl der Metzgerei Habl spielen in der Champions League“, vergleicht und lobt der Sportler.

Habl ist seit 40 Jahren Metzger mit Leib und Seele. Seit 2006 leitet er den 1960 gegründeten Familienbetrieb an der deutsch-österreichischen Grenze – in der jetzt dritten Generation. Seine Frau Anneliese verantwortet das Hauptgeschäft in Tarsdorf, direkt gegenüber einer Tankstelle. Schwester Sabine leitet in Hochburg-Ach die ganz neue Filiale, mitten im Ortskern gelegen. Am 22. Oktober vergangenen Jahres wurde sie eröffnet – und wenige Tage später musste, coronabedingt, der Imbiss schon wieder schließen. Doch nach dem Ende der Zwangspause brummt das in dem neuen Dorfzentrum angesiedelte Geschäft, um das sich neben dem Metzger ein Feinkostladen, ein Supermarkt, eine Pizzeria und ein Café tummeln. „Wir hatten hier in Hochburg-Ach schon seit etwa 50 Jahren eine Filiale. Die war nicht mehr zeitgemäß, wir mussten renovieren“, blickt der Inhaber zurück. Doch als sich ihm die Chance in der „Neuen Mitte“ von Ach bot, schlug er sofort zu, denn: „Umbauen ist immer teurer als etwas Neues“, lautet seine Devise. Um das neue, moderne, lichte und einladende Geschäft sind 24 neue Eigentumswohnungen entstanden – nur 550 Meter Fußweg von der Salzach entfernt. Direkt gegenüber liegt Burghausen – mit seinen bekannten Chemiewerken und den gut 10.000 Mitarbeitern. „Die Abteilungen bestellen bei uns oft für 50 bis 60 Leute Leberkäse, Weißwürste oder Brotzeiten“, freut sich Habl. Und das regelmäßig.

Die nur wenige Kilometer entfernt liegende, neu gebaute Filiale in Hochburg-Ach. Sie ist als Teil der „Neuen Mitte“ eingebettet in ein Nahversorgungszentrum.

Billig tanken, hochwertig einkaufen

Im südlich gelegenen Tarsdorf, ungefähr auf halber Strecke zwischen Passau und Salzburg, befindet sich der Firmensitz – und das zweite Geschäft. Für beide Standorte entpuppte sich die Lage unweit der Grenze schon vor Jahren als Glücksfall. Denn als in der Bundesrepublik die Benzinpreise in die Höhe schossen, setzte ein wahrer Tanktourismus ein: Massenweise fuhren die Deutschen aus dem nahen und fernen Grenzgebiet nach Österreich, um hier billig volltanken zu können. „Die sind dann ebenfalls zu uns gekommen“, erinnert sich Habl schmunzelnd, „und viele sind als Kunden geblieben. Sie sind bis heute angetan von unserer Qualität und dem Geschmack der Waren.“

Habl ist stolz darauf, sich aus beiden Ländern eine treue Stammkundschaft aufgebaut zu haben. Sie macht gut drei Viertel der Kundschaft aus. „Manche kommen seit 50 Jahren“, weiß er von seiner Mutter. Vielleicht liegt es daran, dass Fleisch- und Wurstprodukte in Österreich tatsächlich etwas anders schmecken als in Deutschland. Doch es sind nicht nur die Rezepturen, mit denen sich der Familienbetrieb im Wettbewerb unverwechselbar macht. Konsequent vermarktet Habl Qualität aus der Region. „Wir können alle Tiere bis zum Bauernhof zurückverfolgen. Bei mir kommt nichts in die Wurst, dessen Herkunft ich nicht kenne.“ Die Rinder und Schweine werden im Umkreis von 25 Kilometern geschlachtet und angeliefert. „Wir achten auf kurze Wege und bekommen dreimal in der Woche frisch geschlachtetes Fleisch.“ Gleiches gilt für die Zutaten: Hier verwendet der Betrieb nur hochwertige Naturgewürze. Und verarbeitet all das selbst: „Ich mache jeden Tag Frischwurst. Da wird nicht mehr viel auf Vorrat produziert.“ Lieber gehe einmal etwas aus.

Links: Die Reh-Cabanossi stammen zum Teil aus vom Metzgermeister selbst geschossenem Wild. Rechts: In der Bistro-Ecke läuft das Geschäft langsam wieder an.

Käse-Debrecziner als Bestseller

Und trotzdem, eingefahren ist der Unternehmer nicht – und lässt sich immer von seinen Kunden inspirieren: „Einer sagte einmal zu mir: Deine Debrecziner sind so gut, probier sie doch mal mit Käse.“ Das tat er – und landete mit den so entstandenen Käse- Debreczinern einen echten Verkaufsschlager. „Ich beliefere sogar einige Skihütten in den Bergen“, berichtet er stolz. Selbst aus Salzburg und dem benachbarten Chiemgau strömen Kunden zu ihm, nur um diese Käse- Debreczinern zu kaufen. Und noch einen neuen Hit hat er jüngst entwickelt: seine Reh-Cabanossi sowie andere Dauerwurst aus Wildfleisch. „Die Tiere stammen aus unserer Gemeindejagd. Ich schieße zum Teil selbst.“ Logisch, dass er gerade hier weiß, wo das Fleisch herkommt und dass es wirklich frisch ist. Und wenn das Jagdglück nachlässt, gibt es eben weniger Reh-Cabanossi. Aus Marketingsicht ist das einfach nur authentisch.

Habl ist stolz darauf, in der Region verwurzelt zu sein. Für den Unternehmer ist das ganz nebenbei auch nützlich: „Ich bin im Ort bei vielen Vereinen dabei. Wenn die etwas brauchen, helfe ich gerne.“ Weil seine Qualität bestens ankommt, bringt er seine Spezialitäten sowie ganze Mahlzeiten auch zu einigen Sportvereinen in der näheren Umgebung. Das Catering ist – neben dem Ladengeschäft – das zweite große Standbein des Betriebs. „Viele feiern heute mit rund 50 Gästen daheim. Die gehen nicht mehr alle zum Wirt, die lassen sich gerne beliefern.“ Das sei schon vor der Pandemie so gewesen und fange jetzt wieder an. Für fast alle Bedürfnisse findet Habl eine Lösung – egal, ob Platten gefragt sind oder das Grillen vor Ort. Selbst Zelte und Kühlwägen verleiht er. Dieser Rund-um-Service überzeugt viele: „Wir können nicht mehr alle Anfragen bewältigen“, scheint Habl an seine Grenzen zu kommen. Er ist sechs, ab und zu sogar sieben Tage in der Woche im Einsatz. „Ich stehe jeden Tag um halb drei auf, manchmal auch früher.“

Echte Sortimentskompetenz: Die Metzgerei Habl bietet ihren Kunden zur Grillzeit eine enorme Auswahl an Spezialitäten für den Rost an.

Ein Supermarkt als Kunde

Der Einsatz hat einen guten Grund – denn die Metzgerei produziert nicht nur für die eigenen zwei Ladengeschäfte einschließlich des Caterings. Selbst einige Wirte und ein Lebensmittelmarkt im Nachbarort, der sich auf regionale Produkte und Anbieter konzentriert, rufen regelmäßig bei ihm an. „Der schaut auf Qualität“, sagt er nicht ohne Stolz, einen Lebensmittelhändler als Kunden zu haben. „Da liefere ich dreimal in der Woche einen Großteil meines Frischwurstsortiments samt Leberkäse. Das kommt sehr gut an.“ Die Kunden dieses Supermarkts schätzen es, deshalb nicht mehr extra nach Tarsdorf fahren zu müssen. Dass der Selbstständige den Lebensmittelhandel nicht als Konkurrenz sieht, sondern ganz allgemein nur von „Mitbewerbern“ spricht, ist da nur folgerichtig. Selbst Billigketten stören ihn nicht. „Ich kenne meinen Wert“, sagt er selbstbewusst. Schleuderpreise gebe es bei ihm nicht. „Ich bin nicht teuer, aber ich verkaufe meine Ware nicht unter Wert“, beschreibt er sein Selbstverständnis. Eine Überzeugung, die seine Kunden teilen.

Gleichwohl setzt dem erfolgreichen Familienunternehmen eines derzeit besonders zu: fehlende, fachkundige Mitarbeiter. „Es findet sich in unserer Branche leider niemand mehr.“ Zwar sei ein Teil seiner zehnköpfigen Mannschaft schon seit Jahrzehnten bei ihm angestellt, „aber die gehen langsam in Rente. Es ist kein Ersatz zu finden.“ Seine Aussage bezieht er auf Verkaufs- und Produktionskräfte gleichermaßen. Die Konsequenzen haben es in sich: Einerseits verzichtet er seit kurzem auf Werbung. Nur den Hendl-Tag (immer mittwochs) und den Spareribs-Tag (immer freitags) kündigt der Betrieb noch per Facebook an. Zum anderen sind die Öffnungszeiten gekürzt: „Ich werde am Mittwochnachmittag schließen, weil es anders nicht geht.“ Er kennt Kollegen, die ihre Metzgerei sogar schon montags und dienstags nachmittags dicht machen, weil das Personal fehlt. „Die Kunden gewöhnen sich daran. Schade, aber so ist es.“

Die neue Filiale von außen – eingerahmt von neuen Eigentumswohnungen mit kaufkräftiger Kundschaft. Mit seinen Spezialitäten beliefert er sogar einen Lebensmittelhändler.

Habl trotzt der Pandemie

Und Corona? Wie setzte ihm die Zwangsschließung des Verzehrs vor Ort zu? Immerhin ist die Bistro-Ecke einer der Hingucker der neuen Filiale. „Das war schon hart“, gesteht Habl ein. Auch das Catering brach für Wochen und Monate weg. „Dafür aber sind die Umsätze im Ladengeschäft gestiegen“, verzeichnete er einen Ausgleich. Die Menschen blieben zuhause und kochten mehr als sonst. Und suchten offensichtlich nach Ideen: „Einige Kunden kamen mit Rezepten und Kochbüchern in den Laden.“ Dass die Verbraucher zunehmend beim Thema Barbeque aufrüsten, spielt ihm ebenfalls in die Hände: „Jeder besitzt einen teuren Grill, einen Smoker und was es alles gibt. Und jeder möchte ein noch schöneres Steak als sein Nachbar“, freut er sich. Es waren diese Umstände, weshalb er seit der Pandemie weder Mitarbeiter entlassen noch in Kurzarbeit schicken musste. Eines aber habe sich geändert: „Es kommen immer mehr Männer in den Laden, die einkaufen. Das gab es früher so gar nicht.“ Habl vermutet, dies hänge mit der Emanzipation zusammen „und weil Männer gerne selbst an ihren teuren Grills und Smokern stehen.“

Jörg Eschenfelder, Axel Stefan Sonntag

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