Die Genussbotschafter

Zerlegekult und kreatives Handwerk: Die Metzgerei Hohl in Affaltrach begeistert mit angesagten Cuts für Grillfans und Wild aus eigener Jagd.

Verrücktes Corona-Jahr 2020 für die Metzgerei Hohl aus Affaltrach in Baden-Württemberg: Im März kaufen Kunden nahezu den gesamten Vorrat an Wurst- und Fleischkonserven auf. Der Verkaufsautomat vor dem Laden: wie leergefegt. Der Partyservice: komplett abgesagt. Die BBQ- und Zerlegeseminare von Juniorchef Dominik Hohl: liegen auf Eis. Dennoch war das Jahr für die Metzgerei kein schlechtes. „Wir sind mit Spitzenumsatz durch die Lockdown-Zeit gekommen“, sagt Seniorchef Harald Hohl. Der Partyservice mache etwa 20 bis 25 Prozent des Umsatzes des Betriebs mit 20 Mitarbeitern und zwei Ladengeschäften aus. Der Rest ist das klassische Fleisch- und Wurstgeschäft, Mittagstisch sowie ein kleines Zusatzsortiment an regionalem Käse, Backwaren, Eiern und Nudeln.
„Eine gesunde Mischung“, findet Harald Hohl, Obermeister der Fleischerinnung Heilbronn-Hohenlohe-Schwäbisch Hall. „Wir haben trotz Totalausfall des Caterings mehr Umsatz als im Vorjahr gemacht, weil die Kunden wieder mehr kochen oder Geschmack an unseren Konserven gefunden haben. Auch die jungen Leute sind zu Hause, sie grillen mehr und kaufen dafür hochwertiges Fleisch.“

Ob Bratwürste, Schinken oder Fleischkäse – in die Wildspezialitäten kommt nur Wildfleisch aus eigener Jagd. Beliebt sind auch Wildfertiggerichte sowie Braten.

Dry Aging zum Zuschauen

Den besonderen Cuts vom Rind, die in der Grill-Communitiy so beliebt sind, kann man in der Metzgerei Hohl sogar beim Reifen zusehen. Der Dry Ager steht direkt im Kundenbereich des Verkaufsraums. „Für die Kunden ist das wie Fernsehschauen, ein richtiger Blickfang“, sagt Dominik Hohl, Fleischermeister und Fleischsommelier. Am Reifeschrank informiert ein Flyer über die Herkunft und Rasse der Rinder (Aubrac), welche die Hohls vom Bauernhof der Familie Burgmayer aus Zwiefalten beziehen. Um Kunden auf den Geschmack zu bringen, fotografiert Dominik Hohl öfter Premium-Cuts wie Flanksteak, Cuscino, Teres Major oder das wuchtige Tomahawk und postet die Bilder auf Facebook und Instagram: „Die Leute stehen dann im Laden und sagen: Genau das Steak will ich.“ Auch sonst mangelt es im Sortiment nicht an Spezialitäten. Etwa 95 Prozent der Thekenware sind selbst gemacht, ein Anteil, den Dominik Hohl gerne noch erhöhen möchte. Ausprobieren ist angesagt: Von der „Currywurst im Glas“, über Bergwiesen- und Trüffelsalami, Spargelschinken im Frühjahr und Hanfschinken im Herbst bis hin zu zwanzig Sorten Aufschnitt oder einem Maultaschenfleischkäse mit einer runden Maultasche in der Mitte gibt es über das Jahr immer wieder Neues in der Theke. Beliebte Hausrezepte sind etwa die Dorfbergsalami mit vielen Kräutern und „italienischem Touch“ oder der luftgetrocknete Salzbergschinken, beide benannt nach Weinhängen in der unmittelbaren Umgebung von Affaltrach.

Der Salzbergschinken wurde nach einem Hügel in der Nähe benannt. Bei der Jagd ist das Revier zwischen Hohl senior (Schwarzwild) und junior (Rehwild) klar abgesteckt.

Regionale Erzeuger

Weil der Schinken lange reifen muss, gibt es ihn nicht immer, was ihn bei Kunden umso beliebter macht. Ebenso die „1982er“, eine Grillwurst aus 98 Prozent Rindfleisch und blanchierten roten Zwiebeln, die nur in der Hauptgrillsaison vom Frühjahr bis Herbstanfang produziert wird. „Im Grunde ist das ein Steak in der Wurst, das man medium grillen kann“, erklärt Dominik Hohl die nach seinem Geburtsjahr benannte Eigenkreation.
Wichtige Voraussetzung für Qualität und Frische – so das Motto der Metzgerei Hohl – ist auch die Herkunft des Fleischs. Das Schweinefleisch und ein Teil der Rinder stammen von der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall, die sich zu artgerechter Haltung und dem Verzicht auf Wachstumsförderer und Gentechnik verpflichtet hat. „Das sind regionale Erzeuger, bei denen wir wissen, dass alles sauber zugeht“, sagt Harald Hohl. Außer irischem Lamm stamme in der Metzgerei das gesamte Fleisch aus Deutschland. „Warum sollen wir Cuts aus den USA holen, wenn wir selbst Rinder auf der Weide haben, die Spitzenqualität liefern?“, sagt Hohl.

Stolz auf gute Qualität und die selbst gemachten Produkte: „Sortimente, die man auch im Supermarkt bekommt“ seien nicht wettbewerbsfähig, sagt Harald Hohl (links).

Wild aus eigener Jagd

Weiteres Aushängeschild der Metzgerei ist das Wildangebot. Vater und Sohn sind Jäger, das angebotene Fleisch von Reh, Wildschwein und Feldhase kommt somit aus eigener Jagd. Vom Braten über Würste aus 100 Prozent Wildfleisch, Wildaufschnitt, Wildfleisch zum Grillen bis hin zum feinen Rehfilet liegt immer wieder Wild in der Theke. Durch die Produktion von Konserven und Fertiggerichten, etwa Wildgulasch, -rouladen oder -braten, kann die Metzgerei Wildfleisch sogar ganzjährig anbieten. „Beim Verkauf von frischem Wildfleisch ist wichtig, dass man Tipps zur Zubereitung gibt“, erklärt Harald Hohl. Viele wüssten nicht, was man aus dem Fleisch alles machen könne. Dominik Hohl bietet daher spezielle Wildseminare an, die meist schnell ausgebucht sind. Besonderer Erklärungsbedarf besteht allerdings aktuell durch die Afrikanische Schweinepest. „Viele Kunden fragen nach, zu Schwarzwild, aber auch Schweinefleisch generell“, sagt Harald Hohl. „Wir müssen im Gespräch an der Theke informieren, dass keine Gefahr für den Menschen besteht. Mit diesem Hintergrund wird das Fleisch dann auch gekauft.“

Den Kunden mitnehmen, beraten und ihm den nötigen Input geben, darin sieht auch Dominik Hohl seine Aufgabe hinter der Theke. Als ausgebildeter Fleischsommelier versteht er sich als „Genussbotschafter“, der Kunden sein Wissen über das Fleisch mitgibt und sie neugierig macht. Im Laden, aber auch bei Grillevents gibt er Tipps und Tricks weiter. „Wenn ich weiß, welches Teil vom Tier ich esse, welche Rasse das ist, wie es gefüttert wurde und was ich alles daraus machen kann, überzeugt das die Kunden, hochwertiges Fleisch zu kaufen.“

Die moderne Ladeneinrichtung unterstützt den Verkauf. In der Theke liegt immer etwas Neues. In der Weihnachtszeit sind veredelte Ware, Wild sowie fertige Braten gefragt.

Ein Zelt zum Warten

Genauso wichtig sei Service am Kunden, gerade in Hinblick auf dieses Corona-Jahr. „Wenn es kalt wird, werden wir vor dem Eingang ein Zelt mit Heizpilz zum Warten aufstellen und auch mal eine Kraftbrühe ausschenken“, sagt Dominik Hohl. Zudem plane er, die Abholung von Bestellungen so zu organisieren, dass die Kunden nicht warten müssen, etwa per Schließfach mit PIN. Solche Angebote seien wichtig, so Hohl. „Sonst gehen die Leute zum Lidl, weil’s dort warm ist und sie keinen Stress haben.“

BBQ als Geschäftsmodell: Hohl on Flame

Wie lange für ihn die Grillsaison dauert? „365 Tage im Jahr“, sagt Dominik Hohl. „Grillen kann man immer.“ Etwa 50 bis 60 Grillevents veranstaltet der Metzgermeister und Fleischsommelier in „normalen“ Jahren. Um seiner Leidenschaft ein Label zu geben, hat er „Hohl on Flame“ ins Leben gerufen, eine Mischung aus Marke und Künstlername, angelehnt an die Großen der Koch- und BBQ-Szene, die ihr Handwerk wie Rockstars inszenieren, inklusive eigenem Logo und Instagram-Kanal.

Ob Hochzeiten, Taufen, Firmenfeste, Wild- oder Wintergrillen – der „Grillkünstler“ Dominik Hohl steht am Grill und hat in der Regel bald ein Grüppchen von BBQ-Fans um sich versammelt, die nicht nur auf ihr Steak warten, sondern gespannt den Geschichten, Tipps und Tricks rund ums Fleisch und Zubereiten zuhören. Das Motto von „Hohl on Flame“: „Einfach in Bewegung bleiben, was Neues ausprobieren, das ist das Schöne an unserem Handwerk.“ Denn alltäglich ist es selten, wenn Dominik Hohl grillt: Da landen angesagte Cuts wie Skirt Steak (Saumfleisch) oder Fledermaus (Kachelfleisch), aber auch Kombinationen aus Altbewährtem und Exotischem wie Kalbsbries mit Scampi auf dem Grill. Möglichst alles vom Tier soll verwertet werden. Ob Rinderherz oder Rinderzunge im Smoker – Dominik Hohl probiert viel aus und lässt seine Grillfans probieren, die dann oft später im Laden stehen und „genau das haben wollen“. Die ideale Kundschaft für die Metzgerei, die den Hype ums Grillen schon früh erkannt und aufgegriffen hat.
Etwa zehn Mal im Jahr bietet Hohl in den Produktionsräumen der Metzgerei ein BBQ- und Zerlegeseminar an. Kein typisches Grillseminar, sondern er zeigt den Teilnehmern, wo das Fleisch herkommt und welche Verwendung es für die einzelnen Teile gibt. Pläne hat der junge Metzgermeister und Fleischsommelier noch eine Menge: zum Beispiel kleine Grillaktionen vor dem Ladengeschäft, mittags oder als Afterwork-Event mit Spareribs und Pastrami-Sandwiches. Genauso wie ein eigener Youtube-Kanal oder der zur fahrbaren Freiluftküche umgebaute Autoanhänger.

www.metzgerei-hohl.de

Fotos: © FocusOnWagner

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