Nah am Kunden und flexibel, innovativ, aber auch traditionsbewusst: Die Metzgerei Jais spielt die Vorteile eines Handwerksbetriebs voll aus. Das sichert treue Kunden.

Wer in der Weißwurst-Metropole München eine hessische Bratwurst will – bekommt sie. In der Metzgerei Jais im Stadtteil Trudering liegt die mitteldeutsche Spezialität zwar nicht in der Auslage, doch ab einer Abnahmemenge von fünf Kilogramm kann hier jeder sein Wunschrezept produzieren lassen. Ein eigenes Rezept ist dabei nicht Pflicht. „Es reicht, sich eine bestimmte Kombination zu wünschen. Gerne auch Außergewöhnliches, wir hatten auch schon mal Gorgonzola-Birnen-Bratwurst als Sonderwunsch.“ Auf die Idee der „Individuellen Produktion“ sind Manuel Englberger (26) und Benedikt Jais (29) in einem Brainstorming gekommen. Die beiden sind Cousins, Metzgermeister und gemeinsame Geschäftsführer der Metzgerei Jais in vierter Generation und fragten sich: Was können wir, was andere nicht können? Eine Antwort darauf lautete: „Das machen, was die Großen nicht können.“ Zum Beispiel: kleine Chargen nach Kundenwunsch produzieren, Grillfans genau das Stück zuschneiden, das im Fernsehen gehyped wurde, beim „Front-Butchering“ Fleisch im Verkaufsraum zerlegen oder Kunden, die nicht mehr gut gehen können, den Mittagstisch nach Hause liefern.

Events zur Kundenbindung

Auch Regionalität wird von der Metzgerei mit insgesamt 28 Mitarbeitern seit Jahrzehnten gelebt. Außer Kalbfleisch stammen Fleisch und Eier von Bauern aus der näheren Umgebung, das ebenfalls zum Sortiment gehörende Wild vom befreundeten Jäger am Alpenrand. „Für hohe Fleischqualität sind neben der artgerechten Haltung schnelle Wege und ein stressfreier Transport wichtig“, ist Manuel Englberger überzeugt. Als letzter Handwerksbetrieb in München-Stadt kauft die Metzgerei ihre Tiere lebend und lässt sie lohnschlachten, auch weil sich so das Auskühlen kontrollieren lässt.

Im Verkauf ist die feste Überzeugung vom eigenen Produkt ein wichtiges Argument: „Viele Kunden fragen nach, wo das Fleisch herkommt. Wenn unsere Mitarbeiter aus dem Effeff jeden Bauern aufzählen können, schafft das Vertrauen.“ Wer noch tiefer einsteigen will, kann die Bauern direkt vor Ort besuchen. Diesen Herbst bieten Jais und Englberger interessierten Kunden erstmals eine Fahrt zu den Erzeugern an, als „Kaffeefahrt“ von Landwirt zu Landwirt, mit Frühstück, Mittagessen, Kaffee und Kuchen. Events dieser Art sind ein wichtiges Instrument zur Kundenbindung für die Metzgerei. „Unser Tag der offenen Tür oder das Grillevent zum Saisonstart sind immer gut besucht“, so Englberger. „Die Leute interessiert, wie wir produzieren, und es entsteht ein Bezug zu ‚ihrer‘ Metzgerei.“

Kassenautomat für Hygiene

Wichtig dabei: Um Schnäppchenjäger fernzuhalten, gibt es nichts umsonst. Für den Grillteller oder die Fahrt zum Bauern wird ein Obolus fällig, der später in einen Einkaufsgutschein umgewandelt wird. „So erreichen wir die Kunden, die wir haben wollen, und das dadurch eingenommene Geld wird an Kindergärten in der Umgebung gespendet.“

Dass die Gunst der Kunden allerdings kein Selbstläufer ist, haben Jais und Englberger 2013 beim Umbau des Verkaufsraums gemerkt. Mit versetzten Wänden, einer komplett neuen Anordnung der Theken, der Stehecke für den Mittagstisch, innovativen Wandregalen für Käse und Schinkenspezialitäten und der Einführung von Kassenautomaten war manch langjähriger Kunde überfordert. Ein Jahr hat es gedauert, bis sich jeder daran gewöhnt hatte, Münzen und Scheine nicht mehr der Verkäuferin über die Theke zu reichen, sondern in einen der zwei Kassenautomaten zu werfen.

Auf Augenhöhe zum Kunden

Heute ist das neue Bezahlsystem kein Thema mehr: Der Kunde bestellt, die Verkäuferin druckt den Betrag als Barcode aus und scannt ihn an einem Terminal. Am Kassenautomaten erscheint der Betrag, der Kunde zahlt und bekommt die Ware gereicht. „Eigentlich Einkaufen wie immer, aber die Mitarbeiter müssen nicht mehr mit Bargeld hantieren, was wesentlich hygienischer ist“, erklärt Englberger. Ein Service für den Kunden – was jedoch nicht jeder sofort verstanden habe. Auch dass der Schinken nicht mehr in der Theke liegt, sondern auf Augenhöhe im eigens gefertigten Wandregal und so bei viel Andrang auch aus der zweiten oder dritten Reihe gut sichtbar ist, habe etwas Umgewöhnung aufseiten der Kunden gefordert. Doch mittlerweile ist das geschafft. Heute freuen sich alle über das moderne Geschäft mit seiner langen Tradition. Ein Geschäft, bei dem nicht nur bei der Warenpräsentation auf Augenhöhe zum Kunden geachtet wird.

www.metzgerei-jais.de

 

Dieser Artikel ist erschienen im Gilde Magazin Ausgabe 02/2016. Erhältlich bei Ihrer Genossenschaft.

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