Auf den richtigen Schnitt kommt es an.

Flanksteak, Porterhouse, Hanging Tender. Weil immer mehr Kunden nach ungewöhnlichen Fleisch-Cuts verlangten, ließ sich Metzgermeister Richard Huber zum Fleischsommelier ausbilden.

VierzehnTage musste der Obermeister der Metzgerinnung die Schulbank drücken – und zwar dort, wo er vor rund 40 Jahren seine Meisterprüfung abgelegt hatte: an der Fleischerschule Augsburg, im Bildungszentrum des Fleischerhandwerks. „Die Ausbildung zum Fleischsommelier hat sich allerdings gelohnt. Heute kann mir in Sachen Fleisch so schnell keiner mehr etwas vormachen.“Seit rund 45 Jahren führt Richard Huber die Geschäfte der Metzgerei – und das in der dritten Generation. Viel Wert legt der Metzgermeister seit Jahren auf die eigene Fortbildung und das Engagement in der Region. So ist er heute nicht nur als Obermeister in der Innung aktiv, sondern agiert darüber hinaus auch als Geschäftsführer des Ingolstädter Schlachthofs. Die Wurst- und Fleischprodukte der Metzgerei werden immer wieder ausgezeichnet. „Wir legen Wert auf Qualität“, so Huber. „Dafür sind wir bereit, uns ständig weiterzuentwickeln.“

Weiterbildung mit Format

Das Dry- und Wet-Aging betreibt die Metzgerei schon seit einigen Jahren erfolgreich. Auch die Vakuumreifung im Sous-Vide-Verfahren beherrschen Hubers aus dem Effeff. Doch trotz seines vielfältigen Wissens musste Richard Huber in den letzten Jahren feststellen, dass immer mehr Kunden – vor allem junge Männer – in die Metzgerei kamen und nach einem „Hanging Tender“, „Rib-Eye“ oder „Spider-Steak“ verlangten. Keine seiner Verkäuferinnen wusste damit etwas anzufangen. „Begonnen hat das alles mit der Grillbewegung und Zeitschriften wie ‚Beef‘ oder den ‚Weber-Grill‘-Büchern“, erinnert sich Richard Huber. Kurzerhand entschloss sich der inzwischen über 60-Jährige, noch einmal in die Lehre zu gehen. Mit rund 39 anderen Teilnehmern absolvierte er vor gut einem Jahr die Fortbildung zum Fleischsommelier. Ein Muss für jeden Metzgermeister, sagt er heute. Denn neben dem eigentlichen Kernthema, den verschiedenen Fleischzuschnitten, lernte er auch viel über die Kulturgeschichte des Fleisches, seine mikrobiologischen Eigenschaften, den Stand der aktuellen Forschung, die landwirtschaftliche Produktion sowie über Zubereitung, Lagerhaltung, Verkauf und Vermarktung. Auch sei in dem Seminar über aktuelle Themen wie Tierhaltung, die Kastrierung männlicher Schweine oder über die Bedingungen der Schlachtung gesprochen worden. „Eigentlich hätte ja mein Sohn die Ausbildung machen können“, sagt Huber. „Aber mich hat einfach die Herausforderung gereizt.“
Die Fleischerschule in Augsburg ist eine verbandseigene Bildungseinrichtung des bayerischen Fleischerhandwerks und existiert seit den 1930er-Jahren. Der 14-tägige Sommelier-Kurs wird seit 2016 angeboten. In diesem Jahr findet er zum sechsten Mal statt. „Es gibt noch nicht so viele Fleischsommeliers in Deutschland, wir gehörten damals zu den ersten“, erklärt Richard Huber. „Bei uns im Ort bin ich bis heute sogar der einzige.“

Neue Cuts inspirieren

Inzwischen ist der Metzgermeister für seinen Titel stadtbekannt. Werbung hat er auf Facebook und auf seiner Webseite gemacht, auch die regionale Zeitung hat schon berichtet. „Die Kunden wussten anfangs nicht so viel mit dem Thema anzufangen“, erinnert sich Huber. „Aber inzwischen sind sie neugierig geworden und lassen sich gerne von uns beraten.“ Den jungen Männern mit der Weber-Fibel unter dem Arm kann der Metzgermeister inzwischen die Stirn bieten. Bei den neuen Fleisch-Cuts punktet er jetzt mit seinem Expertenwissen. „Wenn heute jemand in mein Geschäft kommt und ein extralang gereiftes Flanksteak bestellt, bekommt er es“, erklärt der Seniorchef. „Auf Wunsch auch im Sous-Vide-Verfahren vorgegart. Dann wird es auf dem Grill noch saftiger.“
Für die meisten Metzger seien die neuen Fleisch-Cuts bis heute allerdings völliges Neuland, so Huber. Nicht nur in den USA, auch bei den europäischen Nachbarn, etwa Spanien, Frankreich oder Italien, werden Schweine und Rinder häufig auf andere Weise als hierzulande zerlegt.

Spannende Zuschnitte 

„In Deutschland wurde traditionell immer viel Wurst produziert“, erklärt Huber. „Fleischstücke, die etwa in den USA normalerweise auf dem Grill landen, werden bei uns durch den Fleischwolf gedreht.“ Hanging Tender ist als Kronfleisch auch in Deutschland bekannt, wird allerdings selten vermarktet. Und während hierzulande die Schweineschulter immer als Ganzes angeboten wird, schneiden die Italiener den obersten Teil davon heraus und bieten ihn als „Cuscino“ an. In Spanien besonders beliebt: die „Presa“, der Halsmuskel vom Schwein – ohne Sehne eine Delikatesse. Außerdem berühmt in der Grillszene ist der St.-Louis-Cut. Dabei handelt es sich um etwas breiter geschnittene Spareribs. Ein besonderes „Schmankerl“, so Huber, sei gegrillter Tafelspitz, in Südamerika als Picanha bezeichnet: Das Stück wird als Ganzes zubereitet, beim Zerlegen wird der Fettdeckel am Fleisch belassen. So bleibt es beim Grillen schön saftig.

Breites Grillangebot

Die gereiften Fleischstücke aus der ganzen Welt präsentiert die Metzgerei großflächig in der Theke. Schließlich sollen die Kunden direkt einen Eindruck bekommen, was der Fleischexperte zu bieten hat. Zur Eröffnung der Grillsaison wird das Sortiment dann noch einmal erweitert. Richard Huber empfiehlt, den Kunden einen breiten Querschnitt an unterschiedlichen Wurst- und Fleischspezialitäten zu präsentieren. So seien traditionelle oder regionale Bratwürste genauso wichtig wie ausgefallenere Produkte von Schwein oder Rind. „Wir werden neben unserer Nürnberger und Fränkischen Bratwurst auch Chorizo verkaufen“, sagt Huber. Und natürlich dürfen unsere Dry-Aged-Stücke nicht fehlen: Flanksteak, Rib-Eye, Fledermaus-Steak, Hanging Tender. Auch Pulled Pork ist gefragt.“

Für die Kunden unterwegs

Um sich noch mehr Inspiration zu holen und ihr Wissen zu vertiefen, fahren Hubers einmal im Jahr zusammen mit anderen Metzgerkollegen ins benachbarte Ausland – zum Beispiel nach Frankreich. Auf dem Pariser Großmarkt hat sie vor allem die große Auswahl an unterschiedlichen Fleischsorten beeindruckt. „Während bei uns im Schnitt vielleicht vier Geflügelarten verkauft werden, gibt es in Frankreich 20“, so Huber. „Hinzu kommt, dass das Essen ganz anders zelebriert und gelebt wird als bei uns. Es wird viel mehr gekocht.“ Ähnlich sei das in Spanien und Italien. Auch was das Thema Convenience angeht, hat sich Richard Hubers Blickwinkel seit seiner Sommelier-Ausbildung verschoben. „Warum muss immer alles schnell gehen? Das wollen wir auch an unsere Kunden weitergeben: Gutes braucht Zeit, um zu reifen.“

Belieferung von Grillschulen

Seitdem auch Richard Hubers Frau im Unternehmen involviert ist, hat sich der Schwerpunkt der Metzgerei mehr und mehr auf den Partyservice verlagert. Aus diesem Bereich generiert Huber inzwischen die Hälfte seiner Umsätze. „Ob fünf oder 500 Gäste, das bekommen wir alles hin. Wir liefern auf Bestellung und halten verschiedene Menüvorschläge für unsere Kunden bereit.“ Auch zur Mittagszeit versorgt die Metzgerei viele Kunden, darunter auch Unternehmen, mit einem Mittagstisch. Allein im Ladengeschäft werden pro Tag rund 200 Essen verkauft. Neu als Kunden hinzugewonnen hat die Metzgerei einige Grillschulen, die sie jetzt mit diversen Fleischstücken beliefert. „Es hat sich inzwischen herumgesprochen, dass wir so etwas auch können“, sagt Huber nicht ohne Stolz. „Das ist der Vorteil, wenn man der einzige Fleischsommelier vor Ort ist.“

Die Zukunft immer im Blick

Bei allem Neuen, was in den nächsten Jahren auf die Branche zukommen wird, ist es für Richard Huber und seine Familie dennoch wichtig, Traditionen hochzuhalten. Sein Sohn Richard Huber junior ist inzwischen ebenfalls in das Unternehmen eingestiegen und wird in absehbarer Zeit die Geschäfte führen. Bis dahin will der Senior aber weiter am Ball bleiben. Die nächste Weiterbildung hat er bereits im Visier: Sommelier für Wurst- und Schinkenprodukte. „Ob ich diese Ausbildung selbst mache, weiß ich noch nicht“, sagt er. „Aber mein Sohn ganz bestimmt. Schließlich wollen wir auch in Zukunft weiter mitreden können.“

www.feinkost-huber.de

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